Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme der Zahlung einer Dienstbeschädigungsteilrente nach der Versorgungsordnung der NVA. illegale Übersiedlung vor der Wiedervereinigung. Republikflucht
Leitsatz (amtlich)
1. Der durch Verwaltungsakt begründete Anspruch auf Dienstbeschädigtenteilrente bleibt bis zur rechtswirksamen Aufhebung des Bewilligungsbescheides bestehen.
2. Das bloße Unterlassen der Weiterzahlung der geschuldeten Leistung durch die DDR und ihre Funktionsnachfolgerin seit dem 3.10.1990 bewirkt keine Aufhebung des Bewilligungsbescheides.
3. Zuständig für die Weiterzahlung der Dienstbeschädigtenteilrente ist die Bundesrepublik Deutschland.
Orientierungssatz
Der Dienstbeschädigtenteilrentenanspruch ging nicht allein durch eine ungenehmigte Ausreise (Republikflucht) in die Bundesrepublik Deutschland unter.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Weitergewährung einer Dienstbeschädigungs-Teilrente (DBTR) ab Oktober 1990.
Der 1950 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.11.1969 bis 31.05.1981 Berufsoffizier der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA). Am 09.08.1977 und 30.01.1980 erlitt der Kläger zwei Sportunfälle am rechten Kniegelenk, welche die NVA als Dienstunfälle anerkannte. Das NVA-Bezirkskommando gewährte dem Kläger mit "Bescheid" vom 18.06.1981 eine DBTR nach der Versorgungsordnung (VSO) der NVA in Höhe von 193,-- M (20 % der Vollrente). In dem "Bescheid" wird u.a. ausgeführt:
"Zur Überwachung des Gesundheitszustandes werden in bestimmten Zeitabständen ärztliche Nachuntersuchungen durchgeführt.
Den Aufforderungen zu Nachuntersuchungen ist Folge zu leisten, andernfalls wird die Rentenzahlung eingestellt."
Im April 1984 und Juni 1987 wurden Nachuntersuchungen durchgeführt. Die DBTR wurde bis einschließlich Mai 1990 auf das Konto des Klägers überwiesen. Nachdem ein Anschreiben der NVA Wehrbezirkskommandantur L vom 07.05.1990, in dem der Kläger aufgefordert worden war, seine neue Kontonummer mitzuteilen, als unzustellbar zurückkam, erfolgte die Einstellung der Zahlung der DBTR mit Wirkung zum 01.06.1990.
Am 08.10.1989 reiste der Kläger mit seiner Familie über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 09.11.1989 beantragte er bei dem Versorgungsamt M die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Dies lehnte das Versorgungsamt M durch bestandskräftigen Bescheid vom 15.03.1990 ab.
Der Kläger gehöre nicht zu dem Personenkreis, dem Leistungen nach dem BVG gewährt werden könne, da er die Gesundheitsstörungen im rechten Kniegelenk nicht in Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht, sondern als Berufssoldat der NVA erlitten habe.
Im April 1990 begehrte der Kläger von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) die Gewährung einer Entschädigung wegen des 1980 erlittenen Dienstunfalles. Nach Einholung eines Rentengutachtens leistete die VBG an den Kläger einen Vorschuß in Höhe von 7.000,-- DM unter Vorbehalt der Rückforderung. Mit Bescheid vom 24.02.1994 lehnte die VBG den Antrag des Klägers ab. Sie führte aus, allein der Umstand, daß der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht über den FDGB, sondern in der Eigenschaft als Berufssoldat der NVA auch in der sportlichen Betätigung versichert gewesen sei und eine Dienstbeschädigtenrente bezogen habe, schließe die Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) und damit die Leistungsgewährung nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) aus (§ 5 FRG). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die VBG am 27.07.1995 bestandskräftig zurück. Mit Bescheid vom 24.10.1995 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1996 forderte die VBG den gezahlten Vorschuß vom Kläger gemäß § 42 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zurück. Hiergegen ist eine Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster anhängig.
Mit Schreiben vom 21.01.1993 leitete die VBG die Unterlagen des Klägers an die Beklagte weiter. Sie vertrat die Auffassung, daß die Beklagte für die Weiterentschädigung des Klägers wegen der gesundheitlichen Folgen der beiden Dienstunfälle zuständig sei.
Daraufhin beantragte der Kläger im April 1994 auch bei der Beklagten die Weiterzahlung der DBTR. Mit Bescheid vom 27.06.1994 lehnte diese den Antrag auf Zahlung einer Versorgungsleistung aus dem Sonderversorgungssystem der ehemaligen DDR ab. Sie führte u.a., nach DDR-Recht seien Rentenleistungen -- vorliegend die DBTR -- an solchen Rentenempfängern zu gewähren gewesen, die ihren ständigen Wohnsitz in der damaligen DDR hatten. Da diese Voraussetzung nach der Übersiedlung des Klägers 1989 in die damalige Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vorlag, seien die Rentenzahlungen ab diesem Zeitpunkt durch den Versorgungsträger eingestellt worden. Grundlage dafür sei die Regelung I/4/401 Ziff. 1 Abs. 1 der Ordnung Nr. 005/9/003 des Ministers für nationale Verteidigung über die soziale Versorgung der Angehörigen nationalen Volksarmee -- Versorgungsordnung -- (VSO) vom 01.09.1982 gewesen. In dem Gesetz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (Staatsvertrag) zwischen der Bundesrepublik Deutschland u...