rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.10.1994; Aktenzeichen S 31 V 93/93) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme der Zahlung einer Dienstbeschädigungsvollrente (DBVR), die ihm 1976 von der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bewilligt worden war.
Der 1953 geborene Kläger leistete ab 1972 Grundwehrdienst in der NVA. Ausweislich der Bescheinigungen über Arbeits- und Sozialversicherungsverhältnisse wurde er mit Wirkung zum 20.10.1973 bzw. 01.01.1974 aufgrund seiner Verpflichtung als Soldat auf Zeit übernommen. Im Februar 1974 erlitt er bei einem Unfall während der Ausübung des Dienstes eine Distorsion im rechten Sprunggelenk mit nachfolgender Trombophlebitis. Wegen der Verletzungsfolgen wurde er vorzeitig aus der NVA entlassen und erhielt zunächst Krankengeld. Mit Bescheid des Wehrbereichskommandos Karl-Marx-Stadt vom 02.03.1976 gewährte ihm die NVA ab 01.03.1976 eine DBVR i.H.v. 517,50 Mark monatlich nach der Ordnung über die soziale Versorgung der Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der NVA (Versorgungsordnung der NVA = VSO-NVA, damals in der Fassung vom 31.05.1968), Abschnitt 422. Die DBVR wurde bis einschließlich Juli 1981 an den Kläger gezahlt. Am 03.07.1981 wurde der Wegfall der Rentenzahlung ab August 1981 vermerkt, da der Kläger im Juli 1981 auf seinen Antrag hin in die Bundesrepublik Deutschland legal übergesiedelt ist. Ein Bescheid über die Zahlungseinstellung bzw. Aufhebung der Bewilligung vom 02.03.1976 wurde dem Kläger nicht erteilt.
Am 12.01.1993 bat der Kläger die Beklagte um Prüfung, ob ihm im Hinblick auf die Wiedervereinigung und Übernahme der NVA in die Bundeswehr wegen der Unfallfolgen ein Anspruch zustehe.
Mit Bescheid vom 26.01.1993 und Widerspruchsbescheid vom 13.04.1993 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Dienstbeschädigungsrente nach den Bestimmungen der VSO-NVA ab; Rentenleistungen seien nach Abschnitt 401 Ziffer 1.1 VSO-NVA nur an Personen zu zahlen gewesen, die ihren ständigen Wohnsitz in der DDR hatten. Einer Wiederaufnahme der Versorgungsleistung stehe Art. 10 Abs. 7 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (Staatsvertrag) vom 18.05.1990 (BGBl. II S. 537) entgegen. Danach erhielten nur Personen, die nach dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des Vertragspartners verlegen, weiterhin ihre Rente vom bisherigen Rentenversicherungsträger. Mit der Übersiedlung des Klägers vor dem 18.05.1990 sei sein Anspruch erloschen.
Mit seiner Klage vom 12.05.1993 hat der Kläger u.a. vorgetragen, die von der Beklagten vorgenommene Auslegung der Regelungen des Staatsvertrages verstoße gegen die Grundrechte des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie gegen die Menschenwürde. Er sei gezwungen gewesen, die DDR zu verlassen, um die dringend notwendige Verbesserung seines medizinischen Zustandes zu erreichen. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber eine Motivation bei einer Übersiedlung vor dem 18.05.1990 nicht habe berücksichtigen wollen; bei dem vorliegenden Härtefall stehe zumindest das Korrektiv der Auslegung zur Verfügung. Ferner bestehe ein Anspruch wegen Amtspflichtverletzung gemäß Art. 34 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da ihm vorsätzlich truppenärztliche Versorgung versagt worden sei.
Zudem ergebe sich ein Anspruch aus § 82 Abs. 2, § 89 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er noch Grundwehrdienst geleistet. Er habe sich zwar bereits als Soldat auf Zeit verpflichtet gehabt, der gesetzliche Grundwehrdienst habe aber 18 Monate gedauert, die zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgelaufen seien.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Wohnsitzverlegung in die Bundesrepublik seien die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen der VSO-NVA, nämlich Wohnsitz in der DDR, weggefallen. Mithin sei der Anspruch erloschen. Ein Wiederaufleben des Rechts auf Versorgung sei de lege lata ausgeschlossen; es bestehe insoweit keine Anspruchsgrundlage.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1993 und des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1993 mit Urteil vom 20.10.1994 verurteilt, dem Kläger ab Januar 1993 erneut eine Dienstbeschädigungsrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der VSO-NVA zu gewähren. Das SG hat sinngemäß ausgeführt, daß der mit Bescheid vom 02.03.1976 zuerkannte Anspruch des Klägers auf Gewährung einer DBVR durch die Einstellung der Rentenzahlung lediglich zum Ruhen gekommen sei. Dem Kläger sei kein Bescheid über die Einstellung der Rentenzahlung erteilt worden; damit sei der Bewilligungsbescheid weiterhin existent. Aus der Stichtagsregelung in Art. 20 Abs. 7 des Staatsvertrages vom 18.05.1990 ergebe sich kein Leistungsausschluß für Versorgungsempfänger, die bereits vor dem Stichtag in die Bundesrepublik übergesiedelt seien. Die Regelung...