Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Arbeitslosengeldes. Erweiterung des Bemessungsrahmens. unbillige Härte. Lohnverzicht wegen Arbeitsplatzsicherung. Gehaltsunterschied
Orientierungssatz
1. Eine unbillige Härte iS von § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 liegt jedenfalls dann vor wenn der Unterschied zwischen dem Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum (1 Jahr) und dem Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungszeitraum (2 Jahre) mehr als 10% beträgt.
2. Liegt die Gehaltsdifferenz indes unter 5% ist die Annahme einer unbilligen Härte regelmäßig ausgeschlossen.
3. Liegt die Differenz zwischen 5% und 10%, ist zu prüfen, ob sich eine unbillige Härte aus den Umständen des Einzelfalls ergibt. Der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte in § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 stellt kein rechnerisches, sondern ein wertausfüllendes Kriterium dar (Anschluss LSG Essen vom 31.5.2006 - L 1 AL 10/06).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.08.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach einem höheren Bemessungsentgelt.
Er stand in der Zeit vom 05.01.1970 bis 31.08.2005 in einem Arbeitsverhältnis bei der L GmbH & Co. KG. Am 01.05.2005 wurde er aufgrund der Insolvenz der Arbeitgeberin von der Arbeit freigestellt.
Am 02.05.2005 beantragte er die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung erhielt der Kläger in der Zeit vom 01.05.2004 bis 30.04.2005 ein Entgelt von insgesamt 37.133,59 EUR. In der Zeit vom 01.05.2003 bis 30.04.2004 erhielt er 43.458,65 EUR. Das niedrigere Entgelt in dem letzten Jahr der Beschäftigung beruhte darauf, dass am 16.12.2003 ein Firmentarifvertrag geschlossen worden war, wonach zur Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze und des gesamten Unternehmens für die Monate Januar 2004 bis einschließlich Dezember 2004 alle Tariflöhne und Gehälter um 10 % reduziert wurden.
Mit Bescheid vom 17.06.2005 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 01.05.2005 für die Dauer von 960 Tagen nach einem Bemessungsentgelt von täglich 101,74 EUR. Sie legte hierbei das niedrigere Entgelt zugrunde, welches in der Zeit vom 01.05.2004 bis 30.04.2005, also im Jahr vor der Arbeitslosigkeit, abgerechnet worden war.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.07.2005 Widerspruch ein. Es sei unbillig hart, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes die zeitlich befristete Lohnverringerung zugrunde zu legen. Es habe sich um eine zeitlich befristete Maßnahme zur Beschäftigungssicherung gehandelt. Daher sei bei der Bemessung der Lohn zu Grunde zu legen, den er ohne die Verringerung erhalten hätte. Hilfsweise müssten jedenfalls die vollständigen letzten zwei Jahre vor Eintritt der Arbeitslosigkeit als Bemessungszeitraum zugrunde gelegt werden.
Mit Schreiben vom 25.07.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III eine Erweiterung des Bemessungszeitraums von einem Jahr auf zwei Jahre nur dann in Betracht komme, wenn es unbillig hart sei, von dem Bemessungsentgelt in dem einjährigen Bemessungszeitraum vor Eintritt der Arbeitslosigkeit auszugehen. Unter Berücksichtigung der seitens des Arbeitgebers mitgeteilten Arbeitsentgelte ergebe sich aus den letzten beiden Jahren ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 110,40 EUR. Dieses Bemessungsentgelt sei jedoch nicht um über 10 % höher als das bewilligte tägliche Bemessungsentgelt von 101,74 EUR auf Grundlage nur des letzten Jahres vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Die Unbilligkeitsgrenze von mehr als 10 % entspreche seit vielen Jahren ständiger Verwaltungspraxis.
Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht, den die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2005 zurückwies. Sie führte zur Begründung aus, dass der Bemessungszeitraum gemäß § 130 Abs.1 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgelt-Abrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen umfasse. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr. Er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungszeitraum umfasse hier die Entgeltzeiträume vom 01.05.2004 bis 30.04.2005. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 101,74 EUR. Es liege auch kein Sonderfall der unbilligen Härte im Sinne des § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III vor, der eine andere Bemessung ermöglichen würde. Zwar ergebe sich bei Erweiterung der Rahmenfrist auf zwei Jahre ein höheres Bemessungsentgelt. Dieses betrage jedoch nur 110,40 EUR täglich und sei damit nicht um mindestens 10 % höher als das bewilligte Bemessungsentgelt in Höhe von 101,74 EUR. Eine Differenz von 10 % und weniger werde nach nicht zu beanstandender ständiger Verwaltungspraxi...