Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 werden von der Versicherungspflicht Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wenn sie aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.

2. Maßgebend ist die Klassifikation der konkreten Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (BSG Urteil vom 30. 10. 2012, B 12 R 3/11 R).

3. Dies ist u. a. bei einem Architekten der Fall, der Pflichtmitglied der für ihn zuständigen Architektenkammer ist, wenn die Mitgliedschaft u. a. auf der satzungsmäßigen Verpflichtung beruht.

4. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Antragsteller nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, wenn sich die von ihm regelmäßig ausgeübte Tätigkeit als berufsspezifisch erweist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.02.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2).

Der am 00.00.1969 geborene Kläger ist Dipl.-Architekt. Seit dem 08.02.1999 ist der Kläger Mitglied bei der Beigeladenen zu 1), der Bayerischen Architektenversorgung, und seit dem 23.01.2001 Pflichtmitglied bei der Beigeladenen zu 3), der Bayerischen Architektenkammer. Zum Zeitpunkt der Begründung der Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 3) hatte der Kläger seinen Wohnsitz in Bayern.

Vom 10.08.1998 bis zum Jahr 2005 war der Kläger als Architekt in einem Architekturbüro beschäftigt. Mit Bescheid vom 15.04.1999 befreite die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, den Kläger für diese Beschäftigung ab Antragstellung (08.02.1999) von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.

Vom 10.08.2005 bis zum 30.09.2006 war der Kläger als Architekt selbstständig tätig, bevor er ab dem 01.10.2006 ein Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 2), der C GmbH & Co. mit Sitz in H in Nordrhein-Westfalen aufnahm. Der Kläger wurde ausweislich der vorgelegten Stellenbeschreibung als Dipl.-Ingenieur Architekt im Hauptbereich der Beigeladenen zu 2) "Abrechnungsservice, Sachbearbeiter Abrechnungsservice" eingestellt. Auf den Inhalt der Stellenbeschreibung wird im Übrigen verwiesen. Nach der Mitteilung der Beigeladenen zu 2) verteilten und verteilen sich die Aufgaben wie folgt: 50 % Energieberatung und Energieausweiserstellung, 20 % Gesamtprozess der Rauchmeldeabwicklung und 10 % Verbrauchsanalyse. Die übrige Arbeitszeit verteilte und verteilt sich gleichmäßig auf die weiteren Hauptaufgaben des Klägers.

Nachdem bei der Beigeladenen zu 2) eine Betriebsprüfung durchgeführt worden war, stellte der Kläger am 19.05.2014 bei der Beklagten einen formularmäßigen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ab Beginn seiner Beschäftigung für die Beigeladene zu 2) zum 01.10.2006.

Mit Bescheid vom 09.10.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) mit der Begründung ab, dass es sich hierbei um keine spezifische Tätigkeit eines Architekten handele. Es müsse ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung bzw. der Kammer bestehen. Insbesondere müsse es sich um eine berufsspezifische Tätigkeit handeln, für welche eine Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bzw. Versorgungseinrichtung erforderlich sei. Das Leistungsbild des Architekten werde durch das zugrundeliegende Hochschulstudium geprägt und durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) genau definiert. Dies umfasse für die Gebäudeplanung und Realisierung die Leistungsphasen der Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, Objektüberwachung, Objektbetreuung und Dokumentation. Nach der Gesamtschau der dem Kläger übertragenen Aufgaben entspreche seine Tätigkeit nicht dem spezifischen Bild eines Architekten. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege im Bereich der Energieberatung/Brandschutz. Hierfür sei weder die Ausbildung zum Architekten erforderlich noch würden etwaige berufsspezifische Tätigkeiten der ausgeübten Tätigkeit das Gepräge geben.

Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Beklagte für die Beurt...

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