Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Prozeßvertretung. Beklagtenwechsel. Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen. Bezirksregierung Münster. Schwerbehindertenrecht. Nachteilsausgleich aG. beidseitige Knieendoprothesenversorgung. Wirbelsäulenveränderung. kardiale Erkrankung. Sturzgefahr. Gehfähigkeit
Orientierungssatz
1. Zur ordnungsgemäßen Prozeßvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen iS des § 71 Abs 5 SGG durch die Bezirksregierung Münster als Folge der Auflösung der bisherigen Landesoberbehörde "Landesversorgungsamt" (vgl LSG Essen vom 30.1.2001 - L 6 SB 100/99).
2. Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG bei einem Antragsteller mit ua beidseitiger Knieendoprothesenversorgung, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit Nervenwurzelreizerscheinungen und coronarer Herzerkrankung der noch Wegstrecken von 100 m - 300 m zurücklegen kann.
3. Eine kardiale Erkrankung mit einer aufgrund von Herzrhythmusstörungen erlittenen Synkope begründet keine außergewöhnliche Gehbehinderung, da die damit verbundene Sturzgefahr und dauernde Gefahr des Eintretens einer außergewöhnlichen Gehunfähigkeit nicht einem Fortbestehen derselben gleich zu achten ist (vgl BSG vom 29.1.1992 - 9a RVs 4/90).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen "aG").
Der 1920 geborene Kläger begehrt seit 1995 wiederholt in verschiedenen Verwaltungsverfahren die Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG". Seit 1995 hat die Versorgungsverwaltung einen GdB von 100 und das Merkzeichen "G" festgestellt aufgrund folgender Gesundheitsstörungen:
1. Knieendoprothesenoperation beidseits mit eingeschränkter Beweglichkeit, wiederkehrende Gelenkergüsse rechts (GdB 60).
2. Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk nach Schulterluxation (GdB 20).
3. Degenerative Wirbelsäulenveränderung mit Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 10).
4. Verlust des linken Auges (GdB 30).
5. Verformung des Köpfchens des zweiten Mittelhandknochens mit Arthrosis im Grundgelenk des zweiten Fingers rechts sowie kleinem Knochenstecksplitter (GdB 10).
6. Coronare Herzkrankheit, Herzminderleistung, Bluthochdruck (GdB 20).
Bezüglich der Einschränkung seiner Gehfähigkeit machte der Kläger 1995 geltend, dass sich therapieresistente Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich sowie eine zunehmende schmerzhafte Bewegungseinschränkung durch ständige Kniegelenksergüsse infolge von Knieprothesen insbesondere beim Einparken des Autos bemerkbar machten. In Parkhäusern und auf öffentlichen Parkplätzen sei die deshalb für ihn erforderliche größere Öffnungsmöglichkeit der Autotür für das Ein- und Aussteigen nicht gegeben. Seine Bewegungsmöglichkeit sei so eingeschränkt, dass er nicht mehr in der Lage sei, vom Auto aus größere Strecken zu Fuß zu laufen. Der behandelnde Orthopäde ... Dr. G schilderte in seinem Befundbericht vom 18.05.1995, dass sich der Kläger nicht mehr in der Lage fühle, vom Auto aus größere Strecken (mehrere 100 m) zu Fuß zu gehen.
Am 31.07.1997 beantragte der Kläger erneut die Feststellung des Merkzeichens "aG" unter Hinweis darauf, dass sich seine Wirbelsäulenbeschwerden stark verschlechtert hätten und dass er sich nur noch mit großer Anstrengung außerhalb des Kfz bewegen könne. Das Versorgungsamt holte verschiedene ärztliche Auskünfte ein. Unter anderem teilte der Radiologe Prof. Dr. G am 05.10.1997 mit, dass anamnestisch seit Jahren zunehmende Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung ins linke Bein besonders beim langen Sitzen, Laufen und Treppensteigen unerträglich seien. Der Arzt des Städtischen Klinikums S vom 03.03.1997 führte aus, dass der Kläger seit geraumer Zeit bemerkt habe, dass nach längerem Laufen Rückenschmerzen aufträten, die in beide Oberschenkelrückseiten mit Linksbetonung ausstrahlten. Die Schmerzen ließen nach, wenn er sich setze; es handele sich also um das typische Syndrom des engen Spinalkanals.
Mit Bescheid vom 16.03.1998 lehnte das Versorgungsamt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" ab. Nach den getroffenen Feststellungen gehöre der Kläger nicht zu dem Personenkreis, dessen Behinderung funktionell so schwerwiegend ist, dass sie die Fortbewegung beim Gehen auf das Schwerste einschränkt, wie z. B. bei Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten oder -unterschenkelamputierten oder bei einseitig Oberschenkelamputierten, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.1998 zurückwies.
Der Kläger hat gegen die ablehnenden Bescheide der Versorgungsverwaltung Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass eine gründliche Auswertung aller Arztberichte und der von Prof. Dr. G gefertigten...