Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Einkommen. tarifvertragliche Überbrückungsbeihilfe

 

Orientierungssatz

1. Mit den in § 138 Abs 3 Nr 4 AFG (F: 1997-03-24) bezeichneten bundes- und landesrechtlichen Vorschriften sind nur formelle, durch Parlamente erlassene Gesetze gemeint. Nicht erfaßt sind Leistungen (hier: Überbrückungsbeihilfe), die aufgrund eines Tarifvertrages (hier: Tarifvertrag vom 31.8.1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - TASS) erbracht werden.

2. Die gemäß § 2 TASS gewährte Überbrückungsbeihilfe kann auch nicht gemäß § 138 Abs 3 Nr 6 AFG bei der Einkommensanrechnung unberücksichtigt bleiben.

3. § 138 Abs 3 Nr 4 AFG in der Fassung vom 24.3.1997 und die Stichtagsregelung des § 242x Abs 7 AFG sind nicht verfassungswidrig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.09.2000; Aktenzeichen B 7 AL 72/99 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 16.09.1997.

Der ... 1941 geborene Kläger war bis zum 30.06.1994 bei den britischen Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Nachdem er sich arbeitslos gemeldet hatte, bezog er von der Beklagten zunächst Arbeitslosengeld. Daneben erhielt er von seinem früheren Arbeitgeber aus Anlaß der Arbeitslosigkeit eine Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag vom 31.08.1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TASS).

Der Kläger beantragte am 27.08.1997 Anschlußarbeitslosenhilfe (Alhi) für den Bewilligungsabschnitt ab 16.09.1997. Die Beklagte bewilligte ihm diese durch Bescheid vom 06.10.1997 in Höhe von 100,32 DM ab 16.09.1997. Sie rechnete dabei die Überbrückungsbeihilfe in Höhe von 239,29 DM wöchentlich auf die Alhi an. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 07.11.1997 Widerspruch und vertrat die Auffassung, die Überbrückungsbeihilfe stelle kein anrechenbares Einkommen dar. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 25.02.1998 zurück. Sie machte geltend, die Überbrückungsbeihilfe sei auf die Alhi seit der Änderung des § 138 Abs 3 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ab 01.04.1997 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I S 594) als Einkommen anzurechnen, da sie nicht aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften gezahlt werde, sondern aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarung. Die Übergangsregelung des § 242x Abs 7 AFG sei nicht auf den Kläger anwendbar, da dieser erst nach dem maßgeblichen Stichtag 14.02.1941 geboren sei -- nämlich ... 1941 (abgesandt am 25.02.1998).

Hiergegen richtet sich die am 20.03.1998 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, die Überbrückungsbeihilfe werde ihm aufgrund einer tarifvertraglichen Vereinbarung vom 31.08.1971 gezahlt. Da eine der tarifvertragsschließenden Parteien die Bundesrepublik Deutschland gewesen sei, sei dieser Tarifvertrag als bundesgesetzliche Vorschrift zu bewerten, so daß die Überbrückungsbeihilfe auch nach der Neuregelung des § 138 Abs 3 Nr 4 AFG von der Einkommensanrechnung freigestellt sei. Die Übergangsregelung des § 242x Abs. 7 AFG sei verfassungswidrig, weil sie nicht ausreichend dem erforderlichen erhöhten Vertrauensschutz Rechnung trage. Die Stichtagsregelung sei willkürlich und stelle einen rechtswidrigen Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition des Klägers dar. Sie verstoße daher gegen Art. 14 Grundgesetz (GG). Darüber hinaus enthalte § 138 Abs 3 Nr 4 AFG nF eine Ungleichbehandlung von Personen, so daß ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vorliege. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, eine Ungleichbehandlung von Personen vorzunehmen, die Leistungen nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften erhielten, und solchen, die Leistungen nach tarifvertraglichen Regelungen bezögen.

In der Folgezeit erließ die Beklagte unter dem 12.01.1998 einen Änderungsbescheid sowie unter dem 27.05.1998 einen Fortzahlungsbescheid. Sie rechnete dabei weiterhin die Überbrückungsbeihilfe auf die Alhi an.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 06.10.1997 und 12.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.1998 und des Folgebescheides vom 27.05.1998 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe ab dem 16.09.1997 ohne Berücksichtigung der Überbrückungsbeihilfe zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28.09.1998 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht nach § 138 Abs 3 Nr 4 AFG nF die Überbrückungsbeihilfe als Einkommen auf die Alhi angerechnet, weil sie entsprechend der Neuregelung nicht aufgrund einer bundes- oder landesgesetzlichen Vorschrift gezahlt werde, sondern aufgrund einer tarifvertraglichen Vereinbarung (TASS). Eine entsprechende Anwendung des § 138 Abs 3 Nr 4 AFG nF auf tarifvertragliche Vereinbarungen komme nicht in Bet...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge