Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers. Rechtskraftwirkung eines Urteils aus einem Vorprozess. Überprüfungsantrag des Leistungsberechtigten. Asylbewerberleistung. Analogleistung. Zuweisung der Leistungspflicht an den jetzigen Kläger
Leitsatz (amtlich)
1. Hat in einem Vorprozess des Leistungsberechtigten das Sozialgericht durch rechtskräftiges Urteil die Leistungspflicht für nachträgliche Leistungen nach § 44 SGB X iVm § 2 AsylbLG dem beklagten Leistungsträger und nicht dem dort beigeladenen weiteren Leistungsträger zugewiesen, weil der beklagte Träger nach § 44 Abs 3 SGB X zuständig sei, so bindet dieses Urteil im späteren Erstattungsprozess die beteiligten Leistungsträger bei der Frage, wer iS von § 105 SGB X zuständiger bzw unzuständiger Leistungsträger war.
2. Wegen der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess des Leistungsberechtigten kommt es im Erstattungsstreit nicht darauf an, ob die Zuweisung der Zuständigkeit nach § 44 Abs 3 SGB X zutreffend vorgenommen wurde.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.12.2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.565,48 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Erstattungsanspruch wegen nachgezahlter Leistungen nach dem AsylbLG zusteht.
Die aus dem Irak stammenden Eheleute T N und L B reisten gemeinsam mit ihren 1996, 1998 und 1999 geborenen Kindern M, L und N N im Oktober 1999 in das Bundesgebiet ein und wurden der (nunmehr auf Erstattung in Anspruch genommenen) Beklagten zugewiesen (Zuweisungsentscheidung der Kreisverwaltung B vom 28.10.1999). Zwei weitere Kinder (F und L) wurden 2001 bzw. 2005 im Bundesgebiet geboren. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag der Familie zunächst abgelehnt hatte (Bescheid vom 08.12.1999), erkannte es mit Bescheid vom 26.02.2008 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG an. Seit dem 26.03.2008 verfügt die Familie über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG.
Die Beklagte gewährte den Eheleuten N/B und den Kindern M, L und N vom 02.11.1999 bis zum 31.10.2002 sowie - nach vorübergehendem Bezug sog. Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII - vom 01.05.2004 bis zum 31.01.2008 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Der Sohn F erhielt Grundleistungen ab seiner Geburt (am 00.07.2001). Vom 01.02. bis zum 31.03.2008 bezog die Familie Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, ab dem 01.04.2008 (nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG) fortlaufend Leistungen nach dem SGB II. Zum 01.09.2008 verzog die Familie nach Köln in den örtlichen Zuständigkeitsbereich der (nunmehr Erstattung begehrenden) Klägerin.
Am 22.06.2009 beantragte die Familie bei der Beklagten nach § 44 SGB X die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG anstelle der erhaltenen Grundleistungen ab Januar 2005.
Mit formlosem, nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Schreiben vom 15.07.2009 teilte die Beklagte der Familie mit, sie sei aufgrund des Umzugs der Familie zum 01.09.2007 "für die Entscheidung" über diesen Antrag örtlich und sachlich nach § 44 Abs. 3 SGB X nicht zuständig. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 08.09.2009). Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens (S 27 AY 27/09) verurteilte das Sozialgericht Köln nach deren Beiladung die jetzige Klägerin, den Eheleuten N/B und den Kindern M, L und N vom 01.01.2005 bis zum 27.08.2007 sowie vom 28.12.2007 bis zum 31.01.2008, dem Kind F vom 06.01.2006 bis zum 27.08.2007 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG unter Anrechnung der bereits gezahlten Grundleistungen zu gewähren (Urteil vom 12.11.2010). Das anschließende Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 20 AY 14/11) endete durch Vergleich vom 27.02.2012. Darin hob die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 08.09.2009 zur Vermeidung eines falschen Rechtsscheins auf; ferner verpflichtete sie sich - ebenso wie die jetzige, seinerzeit beigeladene Klägerin -, über den Überprüfungsantrag der Familie aus dem Jahre 2009 bis zum 27.03.2012 zu entscheiden, wobei mit dem 27.02.2012 eine Berufung auf einen etwaigen Bedürftigkeitswegfall nicht mehr in Frage kommen sollte.
Durch Bescheid vom 13.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 lehnte die Klägerin den Antrag der Familie N/B auf Überprüfung der für die Zeit ab Januar 2005 ergangenen Bewilligungsbescheide der Beklagten ab. Nicht sie (die Klägerin), sondern die Beklagte sei gemäß § 44 Abs. 3 SGB X für die Entscheidung über den Antrag nach § 44 SGB X sachlich und örtlich zuständig. Der Umzug der Familie nach Köln lasse die ursprüngliche Zuständigkeit der Beklagten unberührt. Die Familie habe im ...