Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattung bei Aufenthalt im Frauenhaus. Erstattungsanspruch des kommunalen Trägers am Ort des Frauenhauses gegen den kommunalen Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort. Wechsel von einem Frauenhaus in ein anderes Frauenhaus. Zufluchtssuche. Vergütungsanspruch des Einrichtungsträgers gegenüber dem kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses
Orientierungssatz
1. Die Erstattungspflicht des kommunalen Trägers am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb eines Frauenhauses (Herkunftskommune) erfasst auch Kosten wegen eines Aufenthalts in einem Frauenhaus, die nach einer weiteren Flucht aus einem anderen Frauenhaus entstehen (vgl BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 190/11 R = BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr 2, RdNr 19 ff).
2. Eine Person sucht Zuflucht in einem Frauenhaus, wenn sie dort tatsächlich Aufenthalt nimmt und Schutz vor häuslicher Gewalt sucht.
3. Ein Kostenerstattungsanspruch scheidet aus, wenn der Träger des Frauenhauses keinen Vergütungsanspruch gegen den örtlich zuständigen Grundsicherungsträger hatte und damit auch keine erstattungsfähigen Kosten entstanden sind.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.09.2018 geändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 7840,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für den Aufenthalt der Zeugin H und ihren vier Kindern in einem Frauenhaus im Zuständigkeitsbereich des Klägers.
Der Kläger ist zugelassener kommunaler Träger der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte bildet mit der Bundesagentur für Arbeit eine gemeinsame Einrichtung gem. § 44b SGB II. Er und die Bundesagentur für Arbeit vereinbarten im Vertrag über die Bildung und Ausgestaltung einer gemeinsamen Einrichtung vom 17.12.2010, dass die Kostenerstattungsverfahren nach § 36a SGB II dem Beklagten übertragen werden (§ 15 Abs. 3 der Vereinbarung).
Im Zuständigkeitsbereich des Klägers befindet sich ein Frauenhaus in Witten, welches von dem Verein "G e.V." betrieben wird. Der Kläger und der Träger des Frauenhauses schlossen am 09.07.1992 einen Vertrag über die Einrichtung des autonomen Frauenhauses, welcher durch eine Nachtragsvereinbarung von 07.07.1999 modifiziert wurde. Danach ist u.a. geregelt, dass für die Konzeption und den Betrieb des autonomen Frauenhauses die Richtlinien des Landes NW für die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Zufluchtsstätten für misshandelte Frauen verbindlich sind (§ 3). Vom Träger des Frauenhauses ist von den aufgenommenen Frauen und deren Kindern ein Tagessatz zu erheben, aus dem die nicht durch sonstige Einnahmen gedeckten Personal- und Sachkosten finanziert werden. Der Tagessatz soll vom Träger anhand eines Selbstkostenblattes jährlich ermittelt werden. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband soll das Selbstkostenblatt prüfen und dieses dem Kläger zur Zustimmung vorlegen (§ 6 der Vereinbarung). Nach § 7 der Vereinbarung gewährt der Kläger den aufgenommenen Personen Sozialhilfe nach Maßgabe des Gesetzes, der genehmigte Tagessatz soll als Kosten der Unterkunft aus der Sozialhilfe übernommen werden. Zum 07.07.1999 wurde die Vereinbarung u.a. dahingehend geändert, dass die Prüfung durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband entfiel. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vereinbarungen vom 09.07.1992 und 07.07.1999, Bl. 88 bis 91 der Gerichtakte, Bezug genommen.
Bis Ende September 2011 betrug der Tagessatz des Frauenhauses pro untergebrachter Person 33,00 EUR, wovon 50 % auf die Kosten der Unterkunft und 50 % auf die Aufwendungen der psycho-sozialen Betreuung entfielen. Wegen der Einzelheiten der Tagessatzberechnung wird auf Bl. 76 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Träger des Frauenhauses übermittelte dem Kläger monatlich Listen mit den Namen der untergebrachten Personen und der Dauer der Unterbringung. Der Kläger zahlte sodann in einer Sammelabrechnung den vereinbarten Tagessatz an den Träger des Frauenhauses.
Die 1980 geborene Zeugin N H, geschiedene C und ihre 1996, 2001, 2003 und 2005 geborenen Kinder sind serbische Staatsangehörige und wohnten bis März 2011 mit ihrem Mann bzw. Vater und einem weiteren Kind in Sarstedt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Ab dem 10.03.2011 waren sie zunächst in Frauenhäusern in Peine und ab dem 15.03.2011 in Essen untergebracht, bis der Ehemann und Vater der Kinder Kenntnis vom jeweiligen Aufenthaltsort erhielt. Am 14.04.2011 zog die Zeugin H mit ihren Kindern in das Frauenhaus in Witten. Auf deren Antrag bewilligte der Kläger ihr und den vier Kindern mit Bescheid vom 04.05.2011 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05. bis zum 31.10.2011. Kosten der Unterkunft und Heizung wurden im Bewilligungsbescheid nicht erwähnt. Auf Bitte des Frauenhauses sah der Kläger davon ab, die Zeugin H zur Beantragung von Leistungen na...