Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisbarkeit eines Hauers bei geltend gemachter Berufsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Der Hauerberuf ist innerhalb des Mehrstufenschemas in die Gruppe der Facharbeiter einzuordnen. Fehlt eine entsprechende Berufsausbildung, so kann diese durch den beruflichen Werdegang und eine langjährige Entlohnung nach einer Facharbeitergruppe ersetzt werden.

2. Ein Facharbeiter muss sich auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verweisen lassen. Ein Verweisungsberuf kommt dann nicht in Betracht, wenn er nicht mehr arbeitsgängig ist.

3. Arbeitsmarktgängigkeit ist zu verneinen, wenn die Arbeitsplätze, an denen dieser Beruf verrichtet wird, generell nur an Betriebsangehörige vergeben werden, somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde nicht zur Verfügung stehen oder wenn sie nur in ganz geringer Zahl vorkommen und der Versicherte praktisch keine Chance hätte, in dem an sich zumutbaren Verweisungsberuf unterzukommen. Das ist bei einem Zigarettenautomatenauffüller der Fall.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.09.2004 geändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 sowie des Bescheides vom 21.09.2004 verurteilt, ihm auf seinen Antrag vom 06.12.2000 hin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31.12.2002 und ab dem 01.01.2003 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer nach Maßgabe der weiteren gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist Gewährung von Rente wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit.

Der am 00.00.1967 geborene Kläger wurde zum 14.08.1989 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Als Beschäftigter der Bergbauspezialfirma E war er bis März 1991 als Neubergmann unter Tage eingesetzt. Sodann war er von April 1991 bis März 1999 mit einer kurzen Unterbrechung als Hauer im Streckenausbau tätig und wurde nach der Lohngruppe 9 (der Anlage 4 zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus) entlohnt. Ab April 1999 war er bis 25.09.2000 als Hauer für Erweiterungsarbeiten unter Tage eingesetzt und nach der Lohngruppe 10 entlohnt worden. Nach Auskunft des Arbeitgebers verfügte er als Hauer im Streckenausbau und Transport sowie für Erweiterungsarbeiten über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die vorkommenden bergmännischen Arbeiten zu verrichten. Als Hauer im Streckenvortrieb sowie der Aus- und Vorrichtung sei er wie ein Hauer nach der Lohngruppe 11 entlohnt worden. Die Arbeitnehmer ab der Lohngruppe 10 seien für alle in Streckenvortrieben anfallenden bergmännischen Arbeiten geschult bzw. unterwiesen worden (Auskünfte der Firma E vom 20.09.2006, 18.09. und 26.09.2007). Zum 31.08.2001 kehrte der Kläger ab.

Der Kläger erlitt am 22.09.2000 einen Autounfall in der Türkei aufgrund dessen er nachweislich ab dem 26.09.2000 arbeitsunfähig erkrankte. Er beantragte am 06.12.2000 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls am 22.09.2000 könne er keine Arbeiten mehr verrichten. Dr. N - Sozialmedizinische Dienst (SMD) P - erstattete unter dem ein 19.02.2001 Gutachten. Es wurde u.a. ein Zustand nach Polytraumata mit Oberschenkelfraktur rechts, Sprunggelenksfraktur rechts, Sprunggelenksfraktur rechts, offener Unterschenkelfraktur links und entsprechender osteosynthetischer Versorgung festgestellt. Der Kläger könne nur mit Unterarmgehstützen gehen und dürfe die unteren Extremitäten noch nicht voll belasten. Es liege zurzeit ein völlig erloschenes Leistungsvermögen vor. Der Kläger sei aufgrund der Schmerzen nicht in der Lage, regelmäßig eine Arbeit zu verrichten. Es liege zudem keine Wegefähigkeit vor. Da die Behandlung noch nicht abgeschlossen war, wurde eine Nachuntersuchung nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfallereignis empfohlen. Die Beklagte gewährte daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.04.2001 bis 31.12.2002 (Bescheid vom 03.08.2001). Im Rentenbescheid heißt es: "Die Anspruchsvoraussetzungen sind seit dem 26.09.2000 erfüllt." Dagegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Rente unbefristet gewährt werden müsse. Jedenfalls käme auf Dauer eine Rückkehr zu seiner Tätigkeit als Hauer nicht in Frage, so dass zumindest der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit auf Dauer vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Dauerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei medizinisch nicht zu begründen. Unter Fortführung der Behandlung sei im Laufe der nächsten beiden Jahre noch eine deutliche Besserung möglich. Rente wegen Berufsunfähigkeit aufgrund eines am 23.09.2000 eingetretenen Leistungsfalls auf Dauer sei nicht zu gewähre...

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