Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von Beiträgen an einen nicht zuständigen Träger der Rentenversicherung. Zuordnung einer Tätigkeit, die ein überlassener Arbeitnehmer in einem knappschaftlichen Entleihbetrieb ausübt, zur knappschaftlichen Rentenversicherung
Orientierungssatz
1. Eine ausdrückliche Beanstandung von Beiträgen ist nach § 201 Abs 1 S 1 SGB 6 nicht (mehr) erforderlich. Auch die in § 26 Abs 1 SGB 4 geregelte Beanstandung zu Unrecht entrichteter Pflichtbeiträge ist auf den Fall der Zahlung von Beiträgen an einen nicht zuständigen Träger der Rentenversicherung iS von § 201 SGB 6 nicht anzuwenden. § 201 Abs 1 S 1 SGB 6 beschränkt sich vielmehr darauf, die Zuordnung der Beitragsentrichtung zu korrigieren, ohne an die Wirksamkeit der Beiträge zu rühren; infolgedessen braucht das Gesetz nicht klarzustellen, dass die Beitragszahlung an den zuständigen Träger als rechtmäßig gelte (vgl BSG vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 2/06 R = BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1).
2. Es ist auch derjenige in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt, der nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen und deren tatsächlicher Umsetzung als überlassener Arbeitnehmer im knappschaftlichen Entleihbetrieb eine bergmännische Kerntätigkeit verrichtet, wegen seiner dort fortlaufend benötigten besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten in diesen Betrieb dauerhaft (und nicht nur zeitlich begrenzt) wie ein dortiger Arbeitnehmer eingegliedert ist und entsprechend allein den Weisungen des Entleihbetriebs unterliegt.
3. Nach dem Konzept der Arbeitnehmerüberlassung iS des AÜG hat auch der Entleihbetrieb eine Arbeitgeberstellung inne.
4. Nach §§ 133 Nr 2, 134 Abs 4 SGB 6 unterfallen der knappschaftlichen Versicherung auch (knappschaftliche) Arbeiten, die Bergbauspezialgesellschaften für knappschaftliche Betriebe (idR als sog Subunternehmer aufgrund von Werkverträgen) verrichten. Die Arbeitnehmer der Bergbauspezialgesellschaften sind dabei unter keinem Gesichtspunkt in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt, weil sie allein nach Weisung der Bergbauspezialgesellschaft - ihrer Arbeitgeberin - tätig werden. Sie verrichten im knappschaftlichen Betrieb allerdings die gleichen Tätigkeiten wie die dortigen Arbeitnehmer. Deshalb ist es aus Gründen der Gleichbehandlung (zur Vermeidung zufälliger, auf rein formalen Kriterien beruhender Ergebnisse) gerechtfertigt, sie wie in einem knappschaftlichen Betrieb Versicherte zu behandeln.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.8.2012 geändert. Der Bescheid vom 24.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2012 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger von 2007 bis 2010 knappschaftlich versichert war.
Der 1966 geborene Kläger ist seit dem 1.9.1983 bei dem Bergbauspezialunternehmen E Schachtbau GmbH (später ua: E T GmbH, jetzt wieder E GmbH) versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 17.8.2006 ist die E GmbH aufgrund einer Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern berechtigt. Nachdem der Kläger zunächst als Bergmann unter Tage eingesetzt (und dabei in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert) war, wurde er im Frühjahr 2006 auf Veranlassung seiner Arbeitgeberin an der Fachschule für Wirtschaft und Technik in D zum Fördermaschinisten ausgebildet. Unter dem 2.11.2006 schlossen der Kläger und die (damalige) E T GmbH eine "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 1.9.1983" (fortan: ZV), die ua folgende Regelungen enthält:
"[ ...]
3. Überlassung an Dritte
Herr M ist damit einverstanden, dass er anderen Firmen zur Arbeitsleistung überlassen wird. Er wird darauf hingewiesen, dass er hierzu an verschiedenen Orten eingesetzt werden kann. Er verpflichtet sich, auch auswärtige Leistungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, soweit dies zumutbar und möglich ist.
4. Tätigkeit
Herr M wird als Bergmann eingesetzt.
Erforderliche Qualifikation: Hauer
[ ...]
11. Tarifvertrag
Auf das Arbeitsverhältnis finden die wesentlichen Arbeitsbedingungen - einschließlich des Arbeitsentgelts - eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihbetriebs Anwendung.
Die vergleichbaren Arbeitsbedingungen des Entleihbetriebes wurden dem Verleiher schriftlich mitgeteilt. Von dieser Auskunft erhält der Mitarbeiter eine Kopie. Eine weitere Kopie wird zur Personalakte genommen. Diese vergleichbaren Arbeitsbedingungen sind Bestandteil dieser Zusatzvereinbarung.
[ ...] "
Die E Schachtbau GmbH (bzw. später die E T GmbH) schloss mit der RAG Aktiengesellschaft im November 2006, im März 2010 und im September 2011 jeweils "Rahmenarbeitnehmerüberlassungsverträge". Diese Verträge, in denen die Vertragspartner mit "Verleiher" und "Entleiher" bezeichnet werden, enthalten u.a. folgende Bestimmun...