Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeld. Einkommen. Kapitalertrag. Sparerfreibetrag
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit Kapitalerträge bei der Feststellung des einkommensabhängigen Erziehungsgeldes zu berücksichtigen sind, kann bei gemeinsamer Veranlagung von Ehegatten der gemeinsame Sparerfreibetrag in Höhe von DM 12.000,-- abgezogen werden.
2. Da § 6 BErzGG - ebenso wie § 11 Abs 1 BKGG aF - eine Rechtsgrundverweisung auf § 2 Abs 1 und 2 EStG vornimmt, ist § 20 Abs 4 EStG uneingeschränkt zu beachten.
3. Die Übertragung des nicht vorhandenen Teils der Sparerfreibeträge auf die Kapitaleinkünfte des anderen Ehegatten stellt bei gemeinsamer Veranlagung keinen Verstoß gegen das Verbot des Verlustausgleichs iS von § 6 Abs 1 BErzGG dar.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Erziehungsgeldes für den 7. bis 12. Lebensmonat.
Für ihr erstes, am 04.05.1994 geborenes Kind C beantragte die Klägerin am 24.06.1996 das Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr. Nach der Geburt des Kindes war sie nicht mehr erwerbstätig. Nach der Bescheinigung des Steuerberaters betrugen die voraussichtlichen Einkünfte ihres Ehemannes im Jahr 1994 aus Landwirtschaft DM 40.000 und die Einkünfte aus Kapitalvermögen DM 20.000. Die Eheleute sind 1994 auch steuerlich gemeinsam veranlagt worden.
Mit Bescheid vom 01.08.1994 bewilligte ihr das beklagte Land u.a. für den 7. bis 12. Lebensmonat Erziehungsgeld i.H.v. DM 268 monatlich. Neben den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. DM 40.000 berücksichtigte es die Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. DM 20.000, von denen sie Werbungskosten i.H.v. DM 100 und einen Sparer-Freibetrag i.H.v. 6.000 abzog, so daß sich ein Betrag i.H.v. DM 13.900 ergab. Von der Summe der Einkünfte i. H. v. DM 53.900 abzgl. 27 % (DM 14.553) errechnete der Beklagte das gem. § 6 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zu berücksichtigende Einkommen i.H.v. DM 39.347, welches den Freibetrag von DM 29.400 um DM 9.947 überstieg. Der 12. Teil von 40 v.H. dieses Einkommens ergab einen monatlichen Abzug i.H.v. DM 332.
Dieser Entscheidung widersprach die Klägerin mit dem Hinweis auf § 20 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Sie führte aus, daß bei gemeinsamer Veranlagung 12.000 DM in Abzug zu bringen seien, auch wenn nur ein Ehegatte Einkünfte aus Kapitalvermögen erziele. Das beklagte Land wies den Widerspruch durch Bescheid vom 07.12.1994 mit der Begründung zurück, daß eine Absetzung des Ehegatten-Sparer-Freibetrages im BErzGG nicht vorgesehen sei.
Zur Begründung ihrer zum Sozialgericht (SG) Münster erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Vorbringen wiederholt. Das beklagte Land hat auf das Verbot eines Verlustausgleiches bei Anwendung des BErzGG erneut hingewiesen. Da eine nach Personen getrennte Ermittlung der positiven Einkünfte durchzuführen sei, sei es nicht möglich, einen Sparer-Freibetrag, den der eine Ehegatte in Ermangelung entsprechender Kapitaleinnahmen nicht in Anspruch nehmen könne, auf den anderen Ehegatten zu übertragen.
Das SG hat die Klägerin durch entsprechende Klageerweiterung, der das beklagte Land nicht widersprochen hat, dazu veranlaßt, eine weitere Werbungskostenpauschale i.H.v. DM 100 als Abzug zu beantragen. Mit Urteil vom 09.02.1996 hat das SG das beklagte Land antragsgemäß unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 01.08.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.12.1994 verpflichtet, der Klägerin für den 7. bis 12. Lebensmonat des am 04.05.1994 geborenen Kindes C höheres Erziehungsgeld unter Berücksichtigung eines um weitere 6.100 DM erniedrigten Einkommens zu zahlen und die Berufung zugelassen: Vorliegend gehe es nicht um einen Verlustausgleich, wie der Beklagte annehme. § 20 Abs. 4 EStG schreibe ausdrücklich vor, daß Freibetrag und Werbungskosten nur bis zu der Grenze berücksichtigt werden könnten, in der auch tatsächlich Kapitalerträge vorhanden seien.
Gegen dieses ihm am 12.03.1996 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 02.04.1996 Berufung eingelegt. Es bekräftigt den Standpunkt, aus dem Grundsatz der getrennten Ermittlung der positiven Einkünfte beider Ehegatten (§ 6 BErzGG) ergebe sich, daß entgegen § 9a EStG das Ehegattenprivileg keine Anwendung finde, wenn nur ein Ehegatte über Einkommen aus Kapitalvermögen verfüge. Aus diesem Grunde könne auch bei gemeinsamer Veranlagung der gemeinsame Sparerfreibetrag von DM 12.000 nicht auf den anderen Ehegatten übertragen werden.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 09. Februar 1996 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat sich noch den Steuerbescheid 1994 der Klägerin und ihres Ehegatten vom 16.08.1996 vorlegen lassen. Danach konnten beide bei gemeinsamer Veranlagung sowohl die Werbungskosten i.H.v. DM 200 als auch den Sparer-Freibetrag von insgesamt DM 12.000 nutzen.
Die Verwaltungsakten des beklagten Landes haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlun...