Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Honorarverteilungsregelung. Fallzahlzuwachsbegrenzung
Orientierungssatz
Honorarverteilungsregelungen, die ohne Berücksichtigung von Fallzahl und Gesamthonorar der Praxis, allein auf den Fallwert abgestellt sind, sind nicht durch § 85 Abs 4 S 5 SGB 5 gedeckt (vgl BSG vom 24.8.1994 - 6 RKa 15/93 = BSGE 75, 37 = SozR 3-2500 § 85 Nr 7). Nichts anderes gilt für eine allein an die Fallzahl anknüpfende, den Behandlungsumfang pro Fall und damit auch die Gesamthonorarforderung überhaupt nicht berücksichtigende Regelung der Honorarverteilung.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen Kürzungen des vertragsärztlichen Honorars gemäß § 7 Abs. 1 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten aufgrund eines Fallzahlzuwachses in den Quartalen III/1997 bis I/1998 und III/1998 bis I/1999.
Der Kläger ist Arzt für Urologie und in O zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
In den streitigen Quartalen hatte § 7 HVM im wesentlichen folgende Fassung (Rheinisches Ärzteblatt 7/97, 55 ff.; 1/98, 76 ff.; 3/98, 60 ff.; 4/98,59 ff.; 1/99, 71 ff.):
§ 7
Kürzung wegen übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis
§ 85 Abs. 4 SGB V)
In Erfüllung der Vorschrift des § 85 Abs. 4 SGB V wird der Fallzahlzuwachs und die nach Prüfung anerkannte Gesamtpunktzahl -- ... -- wegen übermäßiger Ausdehnung der Vertragsarztpraxis einer Kürzung unterworfen, wenn die in Absatz 1 beschriebene Fallzahlzuwachsbegrenzung und/oder die in Absatz 2) aufgeführten Grenzwerte überschritten werden.
1) Der zulässige Fallzahlzuwachs eines Arztes beträgt (im Vergleich zum Vorjahresquartal) für einen Arzt mit mehr als 110 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal 5 %.
Einem Arzt mit weniger als 100 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal wird ein Fallzahlzuwachs bis zur durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Fachgruppe zugestanden.
Überschreitet ein Arzt den für ihn geltenden Fallzahlzuwachs, wird die Zahl der Fälle, die die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe und den zulässigen Fallzahlzuwachs überschreiten, unterteilt in Primär- und Ersatzkassen, mit dem durchschnittlichen Fallwert des Arztes in Punkten multipliziert.
Der so ermittelte Betrag wird mit den arztindividuellen Punktwerten multipliziert und das nach Durchführung von sachlich-rechnerischen Berichtigungen und etwaiger Wirtschaftlichkeitsprüfung anerkannte Honorar um diesen Betrag gemindert. Der rechtswirksame Kürzungsvertrag wird dem in § 6 Abs. 4 A genannten Honorartopf der Fachgruppe des Arztes wieder zugeführt.
2) Unabhängig von Kürzungsmaßnahmen gemäß Abs. 1) wird die Vertragsarztpraxis einer Kürzung bei Überschreitung der nachfolgend aufgeführten Punktzahlengrenzwerte unterworfen:
(Es folgen 19 Arztgruppen jeweils mit Untergruppen sowie numerisch bestimmten Punktzahlengrenzwerten).
Der Kläger rechnete ab den Quartal III/1996 folgende Behandlungsfälle ab (in der Reihenfolge der Quartale). 1.398, 1.420, 1.490, 1492, 1494, 1.606. 1.601, 1.615, 1.632, 1.771 und 1.827. Die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe lag zwischen 868 und 928.
Die Beklagte kürzte das vertragsärztliche Honorar des Klägers in den Quartalen III/1997 um 33.142,5 Punkte, IV/1997 um 156.239 Punkte, I/1998 um 48.279,6 Punkte, III/1998 um 116.616,7 Punkte, IV/1998 um 279.148,5 Punkte sowie I/1999 um 221.133 Punkte aufgrund der Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 7 Abs. 1 HVM.
Die weiteren Kürzungen in den Quartalen I/1998 um 15.647,6 Punkte, IV/1998 um 32.100,7 Punkte und I/1999 um 82.027,27 Punkte erfolgen gemäß § 7 Abs. 2 HVM wegen Überschreitung der Punktzahlengrenzwerte.
Gegen die jeweiligen Honorarbescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Die Widersprüche wies die Beklagte mit Bescheid vom 21.09.1999 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V habe sie eine Regelung zu treffen, die einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit eines Vertragsarztes entgegenwirke. § 7 HVM liege der Gedanke zugrunde, dass bei Überschreitung des in § 7 Abs. 1 und 2 festgelegten Fallzahlzuwachses bzw. Punktzahlengrenzwertes von einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit auszugehen sei. Die in § 7 Abs. 1 HVM getroffene Regelung (Fallzahlzuwachsbegrenzung) sei mit der gesetzlichen Vorgabe in § 85 Abs. 4 SGB vereinbar, da sie dem Ziel diene, bei begrenzten Gesamtvergütungen und einem Steigen der Leistungsmenge dem einzelnen Vertragsarzt eine gewisse Planungs- und Kalkulationssicherheit zu geben. Unter diesen Voraussetzungen könne für die Festlegung des dem Vertragsarzt zustehenden Kontingentes auch an sein früheres Leistungsvolumen angeknüpft werden. Dies gelte umso mehr, als für Praxisneugründer eine Ausnahmeregelung getroffen sei (§ 7 Abs. 1 a HVM). Die in § 7 Abs. 2 HVM dem Grunde nach getroffene Regelung sei bereits in mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) für rechtmäßig angesehen worden.