Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Sperrwirkung des Insolvenzereignisses. Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens. Wiedererlangung von Zahlungsfähigkeit. neues Insolvenzereignis

 

Orientierungssatz

1. Ein neues Insolvenzereignis tritt nicht ein solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Zahlungsunfähigkeit liegt solange vor, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist und andauernd aufhört, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt. Neue Ansprüche auf Insolvenzgeld entstehen nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange das Unternehmen bis zur Betriebseinstellung fortgeführt wird, sowie, ob Arbeitsverhältnisse neu begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen (vgl BSG vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R = BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3).

2. Wurden dem Arbeitnehmer aufgrund eines ersten Insolvenzereignisses im Jahr 2002 bereits Insolvenzgeldansprüche bindend zuerkannt, bleibt für eine Verschiebung des Insolvenzgeldzeitraums nach § 183 Abs 2 SGB 3 auf das Jahr 2005 kein Raum, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer subjektiv möglicherweise darauf vertraut hat, ein neues Insolvenzereignis sei eingetreten und er auch deshalb seine Arbeitsleistung weiter erbracht hat.

3. Auch wenn der Arbeitgeber die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplanverfahren (welches gem § 258 Abs 1 InsO zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus dem Jahr 2002 geführt hat) ca 1,5 Jahre erfüllt hat, kann nicht von einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers und somit von einem neuen Insolvenzereignis im Jahr 2005 ausgegangen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen B 11a AL 57/06 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 25.01.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Insolvenzgeld (Insg).

Der am 00.00.1957 geborene Kläger war bei der Firma P GmbH in B (Arbeitgeber) beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Aachen vom 01.08.2002 (Az. 19 IN 760/02) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet. Wegen offener Arbeitsentgeltansprüche bezogen der Kläger sowie weitere 27 Mitarbeiter des Arbeitgebers Insg für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2002 (Aufwendungen der Beklagten insgesamt 168.947,80 EUR). Nachdem ein Insolvenzplan (vom 30.05.2003 in der Fassung vom 30.06.2003) in Kraft getreten war, hob das AG mit Beschluss vom 16.07.2003 das Verfahren gem. § 258 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) auf. Der Kläger war durchgehend weiter beschäftigt, das Arbeitsverhältnis wurde nicht beendet.

Da die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan nicht mehr eingehalten werden konnten, wurde am 03.03.2005 nochmals die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 02.05.2005 (Az. 91 IN 26/05) eröffnete das AG erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers.

Unter Hinweis auf diesen Beschluss beantragte der Kläger am 12.05.2005 auch erneut Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Zeit vom 01.02.2005 bis 01.05.2005.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.05.2005 mit der Begründung ab, die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei deswegen kein neues Insolvenzereignis, da der Insolvenzplan nicht erfüllt und somit die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nicht wiederhergestellt worden sei. Somit bleibe als Insolvenzereignis allein der Beschluss vom 01.08.2002 maßgeblich. Ein Fall von § 183 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch Arbeitsförderung - (SGB III) liege ebenfalls nicht vor, denn die vorherige Beantragung und Bewilligung von Insg zeigten, dass der Kläger Kenntnis von dem Insolvenzereignis gehabt habe.

Seinen am 14.06.2005 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe noch bis Januar 2005 Gehaltszahlungen vom Arbeitgeber erhalten. Somit habe keine fortwährende Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 07.10.2005 zurück. Sie führte aus, bereits der Umstand, dass ab Februar 2005 offenbar keine Zahlungen an die Arbeitnehmer mehr erfolgt seien, spreche gegen eine wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers.

Dagegen hat der Kläger am 14.10.2005 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben und ergänzend ausgeführt, es sei vor dem 02.05.2005 sogar zu einer Gehaltserhöhung gekommen. Im Übrigen ließen bereits die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters und die Vergabe eines neuen Aktenzeichens erkennen, dass ein neues Insolvenzereignis eingetreten sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom...

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