Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftspflicht und Mitwirkung Dritter. Auskunftsanspruch der zuständigen Grundsicherungsträger gegenüber unterhaltsverpflichteten Dritten. Auskunftsberechtigte. Bestimmtheit des Auskunftsverlangens. Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Verhältnismäßigkeit. Auswertung der familiengerichtlichen Akte
Orientierungssatz
1. Der Auskunftsanspruch gem § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 gegenüber Dritten besteht für alle zuständigen Leistungsträger nach dem SGB 2. Bei identischer Aufgabenerfüllung der Träger ist die Mitwirkungspflicht des Dritten je nach Trägerschaft nicht unterschiedlich gestaltet.
2. Zu den Auskunftspflichtigen gem § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 gehören alle Personen, die aufgrund familienrechtlicher Bestimmungen unterhaltspflichtig sind oder sein können.
3. Ist das Auskunftsverlangen nach § 60 SGB 2 hinreichend bestimmt iS von § 33 Abs 1 SGB 10, unter anderem durch eindeutige Bestimmung des Adressaten bzw Auskunftspflichtigen, so ist es unerheblich, wenn der Fragebogen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen einen Frageteil an einen etwaigen Ehegatten oder Partner des Auskunftspflichtigen enthält, der aber zur Auskunft nicht verpflichtet ist. Ein solcher Fehler in der Umsetzung des Auskunftsverlangens hat keine Auswirkung auf die Beurteilung der im Bescheid getroffenen Regelungen.
3. Der Auskunftsanspruch des Grundsicherungsträgers besteht ungeachtet eines Zugriffs des Trägers auf die Akten eines zivil- bzw familiengerichtlichen Verfahrens. Er steht dem Grundsicherungsträger nach § 60 Abs 2 SGB 2 als selbständiges Mittel hoheitlicher Eingriffsverwaltung zur Verfügung.
Normenkette
SGB II § 60 Abs. 2 Sätze 1, 3; SGB X § 33 Abs. 1; BGB §§ 1601, 1605 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.12.2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch im Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt. Sein am 00.00.2012 geborener Sohn K I lebt bei der Mutter U L. Unter dem 24.06.2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass beide ab dem 01.07.2014 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielten. Der Kläger gehöre zu den unterhaltpflichtigen Personen, die vorbehaltlich ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet seien, Unterhalt zu gewähren. Nach § 33 Abs. 1 SGB II gingen die Unterhaltsansprüche einschließlich des bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs auf den Leistungsträger über. Soweit erforderlich, werde der Kläger zur Feststellung seiner Leistungsfähigkeit um Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Auf den Bedarf des Sohnes werden seit Leistungsbeginn Kindergeld und der vom Kläger gezahlte Kindesunterhalt iHv monatlich 225 EUR angerechnet.
Durch Bescheid vom 25.07.2014 forderte der Beklagte den Kläger zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäß § 60 SGB II, §§ 1361, 1580, 1605 BGB auf. Nach der beigefügten Anlage "Einkommen bei selbstständiger Tätigkeit" sollte der Kläger Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse machen und die Einkommensteuererklärungen der Jahre 2010 bis 2012 nebst Anlagen, die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012, soweit diese erteilt seien, das Anlageverzeichnis, die Abschreibungsliste bzw. das Bestandsverzeichnis für das Anlagevermögen von 2010 bis 2012, die Aufgliederung der jeweiligen Posten der Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Einnahmen-Überschussrechnung für die Jahre 2010 bis 2012 sowie Beitragsnachweise über private Vorsorgeaufwendungen in 2012 einreichen.
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.07.2014 und 04.08.2014. Den Leistungsempfängern selbst sei die Auskunft bereits im familiengerichtlichen Verfahren erteilt worden, ein Anspruch auf erneute Auskunft gem. § 1605 Abs. 2 BGB bestehe nicht. Für seinen Sohn zahle er monatlich 225 EUR Unterhalt, darüber hinausgehende Leistungen an die Kindesmutter oder den Sohn erbringe er nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da Leistungen nach dem SGB II erbracht würden, bestehe der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch gem. § 60 SGB II gegen den Kläger. Auch könne der Leistungsträger anders als der Unterhaltsberechtigte zu jedem Zeitpunkt Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangen; die Begrenzung des § 1605 Abs. 2 BGB gelte nicht beim Auskunftsverlangen nach § 60 SGB II.
Mit seiner am 10.11.2014 bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger den angefochtenen Bescheid vom 25.07.2014 als nicht hinreichend bestimmt beanstandet. Er hat daran fest gehalten, dass ein Auskunftsanspruch angesichts des beim Familiengericht C unter dem Aktenzeichen S 36 F 84/13 über Unterhaltsansprüche geführten Verfahrens nicht bestehe. Dort habe er bereits einmal Auskunft erteilt. Der Beklagte könne die Ak...