Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanrechnung von Werbungskosten. Beitragsbemessung. freiwillig Versicherter. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine Anrechnung von Werbungskosten auf das Arbeitsentgelt kommt bei der Beitragsbemessung (hier freiwillig Versicherter) nicht in Betracht.

2. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung der steuerlich absetzbaren Werbungskosten bei der Beitragseinstufung (§ 240 SGB V). Der Kläger, ein Beamter, ist seit dem 01.04.1959 Mitglied der Beklagten. Nach § 15 der Satzung der Beklagten werden freiwillige Mitglieder entsprechend ihrer Personenkreiszugehörigkeit in Versicherungsklassen eingestuft (Absatz 1). Die Beiträge werden nach Versicherungsklassen erhoben. Sie werden, soweit nichts anderes geregelt ist, nach in Indexzahlen festgelegten Vomhundertsätzen der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt und auf volle DM aufgerundet. Die Indexzahl 100 entspricht dem in § 14 Abs. 1 Buchstabe a genannten allgemeinen Beitragssatz (Absatz 2). Als beitragspflichtige Einnahmen sind die monatlichen Einnahmen unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeiten maßgebend. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehören alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Einmalige Einnahmen gelten mit einem Zwölftel des Jahresbetrages als monatliche beitragspflichtige Einnahmen (Absatz 3).

Im Hinblick auf die monatlichen Bruttobezüge (4.954,98 DM), das Urlaubsgeld (500,-- DM) und die Sonderzuwendung (4.954,98 DM zum 01.12.1994) stufte die Beklagte den Kläger ab 01.04.1994 in die Versicherungsklasse F 12 O, Beitragsstufe 19, ohne Krankengeldanspruch mit einem Monatsbeitrag von 705,00 DM ein.

Zugrunde legte sie monatliche beitragspflichtige Einnahmen von DM 5.409,57 (Bescheid vom 15.04.1994).

Am 03.07.1995 machte der Kläger geltend, von dem richtig berechneten Bruttobetrag von 5.409,57 DM ab 01.04.1994, entsprechend 5.516,67 DM ab 01.01.1995 und 5.691,45 DM ab 01.05.1995, sei ein Werbungskostenbetrag (§ 9 EStG) in Höhe von monatlich 166,67 DM abzuziehen. Er erbat Erstattung der überzahlten Mitgliedsbeiträge für die Zeit vom 01.04.1994 bis 01.05.1995.

Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheide vom 06.07.1995, 26.07.1995 und 06.11.1995).

Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, die Beklagte zähle selbst bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung "echte" Werbungskosten nach § 9 EStG nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Es sei eine willkürliche Ungleichbehandlung, einerseits vom Bruttogehalt auszugehen, andererseits bei Selbständigen und Freiberuflern aber Werbungskosten zu berücksichtigen. Eine Beseitigung dieses Verstoßes gegen den Gleichheitssatz sei nur dergestalt möglich, daß auch bei Angestellten/Beamten Werbungskosten für die beitragspflichtigen Einnahmen Berücksichtigung fänden, und zwar pauschal in Höhe von 2.000,-- DM pro Jahr, mindestens jedoch in Höhe der tatsächlich angefallenen Werbungskosten. Die Folge sei, daß nicht mehr der Beitrag nach einem Monatseinkommen von bis zu 5.700,-- DM (monatlich 705,00 DM), sondern der Beitrag nach einem Monatseinkommen bis zu 5.400,-- DM (667,00 DM) zu zahlen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, da § 15 ihrer Satzung in Übereinstimmung mit § 240 SGB V keine abweichende Berechnung zulasse und damit auch eine Erstattung für den Zeitraum vom 01.04.1994 bis zum 01.05.1995 nicht in Betracht komme (Bescheid vom 15.02.1996).

Zur Begründung seiner Klage zum SG Köln hat der Kläger vorgetragen, die Werbungskosten seien notwendige Aufwendungen im Rahmen der Einkommenssicherung, so daß es willkürlich sei, sie zwar bei den hauptberuflich Selbständigen zu berücksichtigen, nicht aber bei den freiwillig versicherten Angestellten und Beamten hinsichtlich ihrer monatlichen Bezüge. So sei z.B. ein freiwillig versicherter Selbständiger ebenso wie der Kläger als Beamter darauf angewiesen, sein Einkommen z.B. durch Fahrten zur Tätigkeit zu sichern. Ohne erkennbaren Grund würden bei Selbständigen die Fahrten nicht auf das beitragspflichtige Einkommen angerechnet, bei Beamten aber sehr wohl.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.07.1996).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, beitragspflichtig könnten nur solche Einnahmen sein, die dem Versicherten auch tatsächlich zuflössen. Das sei bei den Bruttoeinnahmen in Höhe der tatsächlich anfallenden Werbungskosten nicht der Fall. Es gehe nicht um die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus einer anderen Einkommensart. Die aufgezeigte Differenzierung zwischen freiwillig versicherten Selbständigen und freiwillig versicherten abhängig Beschäftigten/Beamten sei willkürlich. Bei Berücksichtigung der Werbungskosten für Beamte komme es auch nicht zu einer ungerechtfertigten Besserstellung gegenüber Pflichtversicherten, da bei den freiwillig Versicherten z.B. auch solche Einnahmen beitragspflichtig ...

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