Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bei Zuweisung des Antragstellers zum Leistungssystem des AsylbLG
Orientierungssatz
1. Die aufenthaltsrechtliche Statusentscheidung der Ausländerbehörde entfaltet ohne Rücksicht auf ihre materielle Richtigkeit bindende Wirkung. Die Leistungsträger von existenzsichernden Leistungen sind zur Überprüfung und gfs. Nichtbeachtung dieser aufenthaltsrechtlichen Statusentscheidungen nicht befugt.
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB 2 bestehen nicht (BSG Urteil vom 2. 12. 2014, B 14 AS 8/13R).
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; AufenthG § 25 Abs. 3, § 60 Abs. 5, 7, § 10 Abs. 1; EGRL 2011/95/EU Art. 29; EGRL 2011/95/EU Art. 18; EGRL 2011/95/EU Art. 17; EGRL 2011/95/EU Art. 15; AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 2; AsylVfG § 55
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.06.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den Kläger für die Zeit vom 01.06. bis zum 31.08.2012.
Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Am 20.07.2009 reiste er in die Bundesrepublik ein. Er stellte am 19.10.2009 einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 03.11.2009 diesen Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Griechenland an. Eine Abschiebung erfolgte nicht. Der Kläger erhielt am 20.11.2009 eine auf den Zeitraum 20.11.2009 bis 03.12.2009 befristete Duldung, welche in der Folgezeit mehrfach verlängert wurde. Nachdem ein Übernahmeersuchen an Griechenland erfolglos geblieben und die Überstellungsfrist abgelaufen war, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 30.08.2011 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen und das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG hinsichtlich Somalia gegeben ist. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht. Unter dem 09.09.2011 erhielt der Kläger eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens, die längstens bis zum 19.02.2013 befristet war und die Auflage enthielt, dass die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet war.
Seit November 2009 bezog der Kläger von der Beigeladenen Leistungen nach § 3 AsylbLG. Mit Bescheid vom 22.05.2012 bewilligte die Beigeladene Leistungen nach dem AsybLG für den Monat Juni 2012 in Höhe von 413,65 Euro. Entsprechende Zahlungen erfolgten im Juli 2012 und August 2012. In Ausführung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - erhielt der Kläger am 20.08.2012 zudem eine Nachzahlung von 225,68 Euro für die Monate Juli und August 2012. Im September 2012 zahlte die Beigeladene einen Betrag von 527,49 Euro aus.
Am 08.06.2012 beantragte der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache Leistungen nach dem SGB II. Diese Leistungen lehnte ein Mitarbeiter des Beklagten unter Verweis auf die bezogenen Leistungen nach dem AsylbLG mündlich ab.
Mit Schreiben vom 15.06.2012 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass ihm ein subsidiärer Schutzstatus zuerkannt worden sei. Ihm stehe deshalb bereits vor Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu. Er nahm Bezug auf die Entscheidung des LSG NRW vom 27.02.2012 - L 20 AY 48/08 - wonach sich ein unmittelbarer Leistungsanspruch aus der Qualifikationsrichtlinie ergebe.
Am 13.09.2012 erteilte die Ausländerbehörde der Stadt L auf Antrag des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG befristet vom 21.08.2012 bis 20.08.2013.
Am gleichen Tag stellte der Kläger erneut einen Antrag bei dem Beklagten auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.10.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.2012 bis zum 31.03.2013 i.H.v. 539,83 Euro monatlich (Regelbedarf 374,00 Euro + Kosten der Unterkunft 192,83 Euro).
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den mündlichen Verwaltungsakt vom 08.06.2012 als unbegründet zurück. Dem Anspruch des Klägers stehe der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II entgegen. Der Kläger habe sich zur Zeit der Antragstellung mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland aufgehalten. Mit Bescheid der Beigeladenen vom 22.05.2012 seien ihm Leistungen nach dem AsylbLG für Juni 2012 bewilligt worden. Auch für die Monate Juli und August habe der Kläger entsprechende Leistungen erhalten.
Am 19.10.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat dargelegt, dass sich sein Anspruch auf Leistungen ...