Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Wiederauflebens des Krankengeldanspruchs - Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit bei einem Arbeitslosen

 

Orientierungssatz

1. Der Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung der Bewilligung von Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB 5 ist zu bejahen, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht weiter verrichten kann.

2. Die Arbeitsunfähigkeit entfällt nicht dadurch, dass sich der Versicherte in Anbetracht seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung für eine berufliche Neuorientierung öffnet und zu erkennen gibt, dass er zu einem Berufswechsel bereit ist (BSG Urteil vom 8. 2. 2000, B 1 KR 11/99 R).

3. Gleiches gilt im Rahmen des Wiederauflebens des Krankengeldanspruchs nach § 48 Abs, 2 SGB 5.

4. Bei Arbeitslosen orientiert sich die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeiten, auf die der Arbeitslose im Rahmen der Arbeitsvermittlung verwiesen werden kann. Arbeitsunfähigkeit ist nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose in eine an sich zumutbare Arbeit des allgemeinen Arbeitsmarktes allein wegen der Krankheit nicht vermittelt werden kann.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 01.12.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs für die Zeit vom 01.10.2015 bis 02.02.2017.

Die 1965 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.06.2008 infolge der Ausübung einer abhängigen Beschäftigung im Rehabilitationszentrum C (Träger: Deutsche Rentenversicherung Bund) als Ergotherapeutin pflichtversichert.

Am 31.07.2012 erkrankte die Klägerin (nach vorausgegangener durch den Allgemeinmediziner E E1 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit - im Folgenden: AU - vom 16.07.2012 bis 30.07.2012 wegen eines akuten Atemwegsinfektes) erneut arbeitsunfähig, diesmal aufgrund einer "akuten Belastungsreaktion" (ICD-10: F43.O) und einer "depressiven Episode" (F32), was ihr jeweils durch den Hausarzt Dr. X (für die Zeit bis einschließlich 30.01.2015) unstreitig durchgehend bestätigt wurde.

Die Klägerin erhielt zunächst durch ihren Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und im Anschluss - ab dem 11.09.2012 (faktische Auszahlung wegen verspäteter Meldung erst seit dem 14.09.2012) - durch die Beklagte Krankengeld bis zum Ende der Höchstanspruchsdauer von 78 Wochen am 28.01.2014 (vgl. Bescheide vom 24.09.2012 und vom 07.11.2013).

Vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit.

Aufgrund eines vor dem Landesarbeitsgericht I geschlossenen Vergleiches (vom 15.01.2015) - nach dem das Arbeitsverhältnis erst mit Wirkung zum 30.09.2015 enden und die Klägerin von der Arbeitsleistung unter Lohnfortzahlung freigestellt werden sollte - wurde die Klägerin von ihrem Arbeitgeber für die Zeit vom 19.01.2015 bis 30.09.2015 wegen Lohnbezuges wieder zur Sozialversicherung (in der Krankenversicherung unstreitig mit Anspruch auf Krankengeld) angemeldet.

Dabei erkrankte die Klägerin ab dem 06.08.2015 erneut arbeitsunfähig. Die AU wurde wiederum durchgängig durch den Hausarzt Dr. X wegen einer "akuten Belastungsreaktion" und "depressiven Episode", sowie später zusätzlich aufgrund einer "akuten Bronchitis" (J.20.9) festgestellt.

Mit Bescheid vom 16.09.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ein Anspruch auf Krankengeld für die seit dem 06.08.2015 bestehende AU nicht bestehe. Die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld sei zeitlich begrenzt. Bei AU wegen derselben Krankheit werde Krankengeld für höchstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren (Rahmenfrist) gewährt. Innerhalb der für die vorliegende Erkrankung maßgeblichen Rahmenfrist vom 31.07.2012 bis 30.07.2015 habe vom 01.08.2012 bis 28.01.2014 für die gesetzliche Höchstanspruchsdauer ein Anspruch auf Krankengeld bestanden. Bei Beginn einer neuen Rahmenfrist hätten Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Krankengeld bezogen haben, nach § 48 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur dann einen neuen Anspruch wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten AU mit Anspruch auf Krankengeld versichert seien und in der Zwischenzeit mindestens 6 Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig sowie erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hätten. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Die bezahlte Freistellung stelle keine Erwerbstätigkeit dar. Zwar habe sie zwischenzeitlich Arbeitslosengeld erhalten, jedoch sei weiterhin AU festgestellt worden, so dass sie auch nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe.

Hiergegen legte die Klägerin (mit Schreiben vom 28.09.2015) Widerspruch ein, den sie (mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.10.2015) dahingehend begründete, dass die Voraussetzungen für einen erneuten Krankengeldbezug nach...

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