Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Schiedsspruch eines Landesschiedsamtes zur Festsetzung der Vergütung für vertragszahnärztliche Leistungen. Morbiditätsentwicklung
Orientierungssatz
1. Schiedssprüche des Schiedsamtes sind gerichtlich nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben einhalten. Ferner muss der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lassen.
2. Leidet ein Schiedsspruch des Landesschiedsamtes zur Festsetzung der Vergütung für vertragsärztliche Leistungen an nicht geheilten Begründungsmängeln oder ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht vollständig erfasst oder hat er eine angesichts der konkreten Situation gebotene Sachaufklärung unterlassen bzw sind die einzustellenden Begriffe nicht zutreffend interpretiert und damit unzureichend ausgefüllt, so ist er insoweit aufzuheben.
3. Grundsätzlich ist das Landesschiedsamt nicht verpflichtet, eigene Sachaufklärung zu betreiben. Jedoch müssen die ihm vorgelegten Daten plausibel sein. Sind sie das nicht, weil ua weitere Anlagen oder Unterlagen fehlen, so ist das Landesschiedsamt verpflichtet, die fehlenden Angaben und Unterlagen bei der jeweiligen Vertragspartei anzufordern.
4. Zum Begriff der Morbiditätsentwicklung.
Tenor
Der Schiedsspruch des Beklagten vom 06.07.2017 wird hinsichtlich der linearen Anhebung der Punktwerte um 3,27 % aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs des beklagten Landesschiedsamtes (LSA) betreffend die Festsetzung der Vergütung für vertragszahnärztliche Leistungen für das Jahr 2016.
Mit Schreiben vom 11.02.2016 hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Nordrhein den Verband der Ersatzkassen (vdek) und die Techniker Krankenkasse (TK) zu gemeinsamen Verhandlungen über die vertragszahnärztliche Vergütung 2016 aufgefordert. Beigefügt waren dem Schreiben u.a. die Ergebnisse einer Kostenstrukturerhebung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) für Nordrhein. Ausgehend hiervon forderte die KZV für die budgetierten Leistungen (konservierend-chirurgische Behandlung (KCH), Kieferbruch/Kiefergelenk (KB/KG), Parodontosebehandlung (PAR) und Kieferorthopädie (KFO)) sowie für die individualprophylaktischen Leistungen (IP) und Früherkennungsuntersuchungen (FU) eine Punktwerterhöhung von 4,53 % gegenüber den für das Kalenderjahr 2015 vereinbarten Ausgabenvolumina. Die Ersatzkassen lehnten die Forderungen der KZV ab, da das Erhöhungsverlangen nicht mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang stehe.
Die KZV erklärte die Verhandlungen am 16.03.2016 für gescheitert und rief am selben Tag das LSA an. Mit Schriftsatz vom 29.03.2016 beantragte sie u.a. die Festsetzung der Punktwerte für das Jahr 2016 entsprechend ihrer bisherigen Forderungen. Die Kläger traten den Anträgen mit Schriftsatz vom 14.06.2016 entgegen und beantragten, in den Bema-Teilen 1, 2 und 4 einen Punktwert von 1,0037 EUR, im Bema-Teil 3 von 0,8330 EUR und für IP sowie FU-Leistungen in Höhe von jeweils 1,1364 EUR festzusetzen.
Mit Spruch vom 04.07.2016 entschied das LSA:
"1. Die Punktwerte für Leistungen der Individualprophylaxe (IP) und Früherkennungsuntersuchungen (FU) werden um 3,27 % angehoben und betragen ab 01.01.2016 bei den Ersatzkassen (vdek und TK) 1,1621 EUR.
2. Die Punktwerte für konservierend chirurgische Leistungen, Leistungen der Parodontose- und für Kieferbruch/Kiefergelenksbehandlungen werden um 3,27 % angehoben und betragen ab 1.1.2016 bei den Ersatzkassen (vdek und TK) 1,0264 EUR.
3. Die Punktwerte für kieferorthopädische Leistungen werden um 3,27 % angehoben und betragen ab 1.1.2016 bei den Ersatzkassen (vdek und TK) 0,8516 EUR.
4. Die kassenspezifischen Ausgabenvolumina ("Obergrenzen") für 2016 werden wie folgt ermittelt: Die kassenindividuelle Ist-Vergütung 2015 wird um 4,27 % erhöht.
5. Das Landesschiedsamt stellt fest, dass an den Nachweis von Veränderungen der nach § 85 Abs. 3 SGB V bei der Veränderung der Gesamtvergütung zu berücksichtigenden Kriterien hohe Anforderungen zu stellen sind, insbesondere dann, wenn die Veränderungsrate für die Punktwerte oberhalb der Grundlohnrate nach § 71 SGB V liegt. Das Landesschiedsamt fordert die Parteien für die Zukunft auf, in einen Dialog über die zutreffende Feststellung der für die Vergütungsfestsetzung relevanten Parameter einzutreten. Im Hinblick darauf behält sich das Landesschiedsamt vor, in Zukunft durch Zu- und Abschläge etwaige Unsicherheiten der mitgeteilten Parameter zu bewerten oder etwaige eigene Datenerhebungen vorzunehmen oder zu beauftragen. ( ... )."
Seine Berechnungen stützte das LSA zunächst auf die von der Beigeladenen vorgelegte Kostenstrukturerhebung, die es durch die ebenfalls von ihr vorgelegten Daten der D...