Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Berechnung des Krankengelds. freiwillig versicherter hauptberuflich Selbstständiger. Berechnung des Einkommens sowohl aus den Tagen der Arbeitsfähigkeit als auch aus den Tagen der Arbeitsunfähigkeit ohne Krankengeldanspruch

 

Orientierungssatz

Das beitragspflichtige Einkommen eines freiwillig versicherten hauptberuflich Selbstständigen, das als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Krankengeldanspruchs dient, berechnet sich nicht nur aus den Tagen der Arbeitsfähigkeit, sondern auch das den Tagen der Arbeitsunfähigkeit ohne Krankengeldanspruch.

 

Normenkette

SGB V § 47 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Urteil vom 08.08.2022; Aktenzeichen S 68 KR 30/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.08.2022 geändert und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des dem Kläger für den Zeitraum vom 23.01.2020 bis zum 24.08.2020 gewährten Krankengeldes im Streit.

Der 0000 geborene Kläger ist Inhaber eines Gartenbauunternehmens und als solcher als hauptberuflich Selbständiger freiwillig bei der Beklagten krankenversichert; seit dem Jahr 2017 besteht die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld. Der Kläger beschäftigt regelmäßig keine Mitarbeitenden.

Im Jahr 2019 war der Kläger an 317 Tagen arbeitsunfähig und bezog an 253 Tagen von der Beklagten Krankengeld. Der Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2019 weist Einkünfte in Höhe von insgesamt 4.522 Euro aus. Die Beklagte legte der Beitragsbemessung für das Jahr 2019 Einkünfte des Klägers in Höhe von monatlich 1.267,85 Euro (4.522 Euro : ≪360 Tage - 253 Tage≫ x 30 Tage = 1.267,85 Euro) zu Grunde (Bescheid vom 05.05.2020).

Ab dem 09.12.2019 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig (AU-Bescheinigungen vom 09.12.2019, 16.12.2019, 23.12.2019, 17.01.2020, 22.01.2020, 31.01.2020, 10.02.2020, 19.02.2020, 25.02.2020, 04.03.2020, 18.03.2020, 01.04.2020, 14.04.2020, 20.04.2020, 30.04.2020, 14.05.2020, 28.05.2020, 10.06.2020, 17.06.2020, 25.06.2020, 02.07.2020, 16.07.2020, 05.08.2020, 06.08.2020, 13.08.2020 und 18.08.2020). Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 23.01.2020 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 29,86 Euro brutto (bekannt gegeben durch Überweisung vom 10.07.2020). Der Kläger legte am 05.08.2020 Widerspruch gegen die Höhe des gewährten Krankengeldes ein. Mit Schreiben vom 11.08.2020 erläuterte die Beklagte die Krankengeldberechnung. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht und führte aus (Schreiben vom 13.08.2020), im Gegensatz zu der Berechnung des Einkommens im Rahmen der Beitragsbemessung seien bei der Bemessung des Krankengeldes Zeiten der Arbeitsunfähigkeit außen vor zu lassen (Sozialgericht Düsseldorf vom 26.07.2007 - S 8 KR 202/06 ;LSG Berlin Brandenburg vom 16.03.2006 - L 24 KR 3/05 ). Er sei im Jahr 2019 lediglich im Zeitraum vom 28.02.2019 bis zum 11.04.2019, also an 43 Tagen, arbeitsfähig gewesen; an allen anderen Tagen des Jahres 2019 habe Arbeitsunfähigkeit bestanden. Das durch ihn im Jahr 2019 erzielte Einkommen (4.522 Euro) sei auf 43 Tage zu verteilen. Das sich daraus ergebende zu berücksichtigende monatliche Einkommen von 3.154,8 Euro sei der Bemessung des Krankengeldes zu Grunde zu legen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 03.12.2020).

Mit seiner am 06.01.2021 bei dem Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholend und vertiefend vorgetragen, bei der Berechnung seines Krankengeldanspruchs sei die Zugrundelegung des Einkommens gemäß Einkommensteuerbescheid 2019 nicht zu beanstanden. Allerdings sei die Beklagte zu Unrecht von nur 253 Arbeitsunfähigkeitstagen im Bemessungsjahr ausgegangen. Der Kläger sei im Jahr 2019 an 317 Tagen arbeitsunfähig gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Entscheidung der Beklagten über die Höhe des Krankengeldes seit dem 23. Januar 2020, bekannt gegeben durch Überweisung am 10. Juli 2020, erläutert im Schreiben vom 11. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2020, zugegangen am 7. Dezember 2020, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld seit dem 23. Januar 2020 unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens von 3.154,88 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die getroffene Entscheidung für rechtmäßig gehalten. Bemessungsgrundlage sei das beitragspflichtige Einkommen. An den Tagen mit Krankengeldanspruch sei der Kläger beitragsfrei gewesen. Nur diese Tage (mit Krankengeldanspruch) seien aus der Berechnung herauszunehmen; nicht zusätzlich die weiteren Tage der Arbeitsunfähigkeit ohne Krankengeldanspruch (Wartezeit).

Nachdem die Beteiligten zuvor ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten (Sitz...

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