Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Sozialversicherungspflicht des Fremdgeschäftsführers einer GmbH. Berücksichtigung einer faktischen Weisungsfreiheit bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht einer Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer

 

Orientierungssatz

1. Auch der Geschäftsführer einer GmbH kann im sozialrechtlichen Sinne eine abhängige Beschäftigung ausüben. Dabei unterliegt ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH jedenfalls dann nach der gesetzlichen Konzeption des GmbH-Rechts den Weisungen der Gesellschafterversammlung, wenn im Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthalten ist und er Weisungen auch nicht ausnahmsweise faktisch aufgrund seiner besonderen Stellung verhindern kann.

2. Im sozialversicherungsrechtlichen Statusrecht kommt es für die Beurteilung der Sozialversicherungspflichtigkeit einer Beschäftigung nur auf die rechtlich geschaffenen Möglichkeiten zur Weisungsfreiheit an, nicht jedoch auf eine faktisch bestehende Weisungsfreiheit aufgrund einer geübten Praxis.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.04.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten im Berufungsrechtszug mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 61.072,64 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Betriebsprüfung über eine Nachforderung betreffend den Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Fremdgeschäftsführer bei der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2012 in Höhe von 61.072,64 Euro.

Bei der mit Gesellschaftsvertrag vom 6.12.2005 (GesV) gegründeten Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, welches sich mit der Herstellung und dem Vertrieb sowie der Entwicklung von Sägeblättern und ähnlichen Produkten einschließlich aller damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten befasst. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichtes L (HRB 000) eingetragen und firmierte ursprünglich unter dem Firmennamen "E HW Werkzeuge GmbH", welcher durch Gesellschafterbeschluss vom 7.2.2006 (eingetragen am 2.3.2006) auf den derzeitigen Firmennamen geändert wurde. Nach § 5 Abs. 4 GesV unterlag der Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Eine Regelung zur Beschlussfassung ist dem Gesellschaftsvertrag, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, nicht zu entnehmen. Zunächst hielten am Stammkapital der Klägerin in Höhe von insgesamt 25.000,00 Euro (§ 4 Abs. 1 GesV) Herr G H sowie die E Ltd. mit Sitz in Israel jeweils Anteile in Höhe von 12.500,00 Euro. Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 30.6.2008 wurde die E Ltd. zur Alleingesellschafterin der Klägerin.

Mit Datum und Wirkung zum 1.2.2006 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1), dieser unter dem Firmennamen H1 P H e.K., folgenden Vertrag, indem es u.a. wie folgt heißt und auf den im Übrigen Bezug genommen wird:

"§ 1 Aufgabenbereich

Der Auftragnehmer wird ab dem 1.2.2006 als selbstständiger Dienstleister die Gesamtvertriebsleitung für die H GmbH übernehmen.

Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die eigenverantwortliche Leitung der Vertriebsmannschaft im Innen- und Außendienst. Jährlich werden Zielvorgaben für Umsatz und Ertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer neu definiert, welche der Auftragnehmer bestmöglich umzusetzen hat. Der Auftragnehmer ist direkt den Gesellschaftern unterstellt und ist in deren Abwesenheit den Mitarbeitern der H GmbH sowie aller Tochterunternehmen weisungsbefugt. Genaue Details hierzu werden zu späterem Zeitpunkt in einer Vertragsanlage aufgeführt.

§ 2 Bezüge

Als Pauschalvergütung für seine Dienstleistung erhält der Auftragnehmer pauschal folgende Summe, welche immer zum 1. eines Monats durch ihn in Rechnung gestellte werden muss: [ ...].

§ 3 Vergütungsfortzahlung bei Krankheit

Ist der Auftragnehmer auf Krankheit beruhender Arbeitsunfähigkeit verhindert, erhält er eine Fortzahlung der Pauschalvergütung für maximal zwei Monate.

§ 4 Urlaub

Der Auftragnehmer ist berechtigt, 30 Arbeitstage pro Jahr im Einvernehmen mit den Gesellschaftern als Urlaub geltend zu machen.

§ 5 wöchentlicher Mindestzeitaufwand

Es gilt als vereinbart, dass der Auftragnehmer jeweils Dienstag, Mittwoch, Donnerstag sowie Freitag, welcher teilweise als Abreisetag genutzt werden kann, für den Auftraggeber tätig sein wird. Der Zeitaufwand sollte mindestens 8 Stunden pro vollen Tag betragen.

§ 7 Verschwiegenheitspflicht [ ...]

§ 8 Verhinderung zur Vertragserfüllung

Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dem Auftraggeber jede Verhinderung unverzüglich anzuzeigen. Bei anstehenden Terminsachen hat der Auftragnehmer auf vordringlich zu erledigende Arbeiten hinzuweisen. Im Falle einer Erkrankung ist der Auftragnehmer verpflichtet, spätestens ab dem dritten Tag bei Beginn oder Verlängerung der Unfähigkeit zur Vertragserfüllung aufgrund Krankheit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.

§ 9 Vertragsdauer und Kündigun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge