Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. Schizophrenie. Kann-Versorgung
Orientierungssatz
1. Da über die Entstehung der Schizophrenie in der medizinischen Wissenschaft Unklarheit herrscht, wie dies in Nr 69 der AP 1996 deutlich aufgeführt ist, kann eine Anerkennung der Erkrankung als Wehrdienstbeschädigungsfolge im Sinne von § 81 Abs 6 S 1 SVG nicht in Betracht zu ziehen sein. Denn schon aufgrund der in der Wissenschaft bestehenden Unsicherheiten läßt sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Wehrdienst und der nunmehr bestehenden Erkrankung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.
2. Soldatenversorgung ist bei einer nicht auf einem plötzlichen Ereignis beruhenden Krankheit nur dann zu gewähren, wenn diese Krankheit entweder nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit zu entschädigen wäre oder wenn außerordentliche, kriegsähnliche Belastungen festzustellen sind, die eine sogenannte "Kann-Versorgung" rechtfertigen (vgl BSG vom 10.11.1993 - 9/9a RV 41/92 = SozR 3-3200 § 81 Nr 9)
3. Zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Kann-Versorgung gemäß § 81 Abs 6 S 2 SVG bei schizophrenen Psychosen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) darüber, ob dem Kläger Versorgungsansprüche nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zustehen.
Der 1957 geborene, wegen einer schizophrenen Psychose erwerbsunfähige Kläger leistete vom 03.10.1977 bis zu seiner vorzeitigen Entlassung am 31.03.1978 Wehrdienst in der Bundeswehr. Er durchlief zunächst die Grundausbildung in der 2. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 322 in Sch und wechselte dann zum 01.01.1978 in die 5. Kompanie. Zuvor hatte er von 1975 bis 1977 mit Erfolg eine Verkäuferlehre durchlaufen und war dann für kurze Zeit im August und September 1977 bei der Kaufhof-AG in K beschäftigt.
Bei der Musterung im Jahre 1976 und der Einstellungsuntersuchung im Oktober 1977 waren bei dem Kläger keine wesentlichen Gesundheitsstörungen festgestellt worden. Als gesundheitliche Fehler waren lediglich eine Farbschwäche, der Zahnstatus, eine hypotone Kreislaufstörung, eine Sehschwäche und insbesondere eine Trichterbrust aufgeführt.
Gegen Ende der Grundausbildung meldete sich der Kläger zunächst am 12.12.1977 mit allgemeiner Abgeschlagenheit und einem seit einigen Tagen bestehenden Grippegefühl krank. Der Truppenarzt diagnostizierte bei ihm einen zu niedrigen Blutdruck.
Am 18.12.1977 meldete er sich erneut krank und klagte über seit einigen Tagen bestehende verstärkte Kopfschmerzen. Er wurde deshalb stationär in den Sanitätsbereich (San-Bereich) aufgenommen. Bei anschließenden Untersuchungen diagnostizierte man zunächst einen akuten Infekt der Atemwege. Darüber hinaus wurde der Verdacht auf psychische Störungen geäußert. Bei dem Nervenfacharzt Dr. W, dem er am 23.12.1977 vorgestellt wurde, gab der Kläger an, seit einem halben Jahr komme es bei ihm oft zu Schwindelerscheinungen. In den letzten Tagen leide er verstärkt an Kopfschmerzen, die er allerdings auch schon seit zwei Jahren kenne. Er fühle sich, als sei er "gar nicht da". Psychisch bot der Kläger ein hypochondrisches Bild mit einem gesteigerten Bedürfnis zur Selbstbeobachtung und zu abnormer Erlebnisverarbeitung. Auch wirkte er empfindlich in seinen Reaktionen. Er wies einen verminderten Antrieb und eine verminderte Vitalität auf. Dr. W diagnostizierte bei ihm eine abnorme Persönlichkeit mit Auffälligkeiten des Verhaltens und einer Erlebnisreaktion bei primär asthenisch-hypochondrischer Charakterstruktur.
Einen Tag später wurde der Kläger aus dem San-Bereich entlassen und begab sich zu seinen Eltern nach K.
Nach den Weihnachtsfeiertagen stellte er sich dort am 27.12.1977 bei dem Standortarzt vor und gab wiederum an, er habe starke Kopfschmerzen. Deshalb könne er nicht nach Sch zurückfahren.
Er wurde sodann internistisch im Krankenhaus K-P behandelt. Dort gab er an, seit zwei Jahren häufig Kopfschmerzen zu haben; seit etwa 10 Tagen seien Schwindel und Blässe hinzugetreten. Die behandelnden Ärzte äußerten den Verdacht auf eine hypochondrische Verhaltensstörung, insbesondere im Sinne einer beginnenden Psychose (Schizophrenie). Eine neurologische Konsiliaruntersuchung bestätigte den Verdacht auf hypochondrische Verhaltensstörungen. Daraufhin wurde der Kläger mehrfach im Januar 1978 in der Rheinischen Landesklinik K bei den Psychiatern Dres. J und K untersucht. Diese diagnostizierten eine narzistisch-hypochondrische Neurose.
In seiner Anamnese erwähnte Dr. J dabei, daß der Kläger schon im Grundschulalter zu einer Zeit, als er sehr schlechte Leistungen zeigte, häufig mit Kopfschmerzen reagiert habe. Er werde von seinen Eltern als Einzelgänger beschrieben. Nach dem Hauptschulabschluß habe er während der Lehrzeit in Aben...