Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. GmbH. mitarbeitender Gesellschafter. alleiniger und gleichberechtigter Gesellschafter neben Ehegatten als Geschäftsführer. Rechtsmacht. Übernahme einer Darlehensverpflichtung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Weisungsgebundenheit. Vergütung. Urlaubsanspruch. Unternehmerrisiko

 

Orientierungssatz

1. Ein GmbH-Gesellschafter, der in der GmbH angestellt, aber nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderer Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (vgl BSG vom 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R = SozR 3-2400 § 7 Nr 17).

2. Aus der Übernahme einer Darlehensverpflichtung eines Familienangehörigen im Rahmen der Darlehensgewährung an das Familienunternehmen kann nicht abgeleitet werden, dass der aus dem familiären Umfeld stammende Mitverpflichtete zwangsläufig mit der Abgabe einer entsprechenden Erklärung eine selbstständige Tätigkeit aufnähme (vgl LSG Essen vom 25.11.2010 - L 16 KR 313/10).

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1; SGB III § 25 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.08.2015; Aktenzeichen B 12 KR 9/14 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.02.2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Feststellung, dass sie bei der Beigeladenen zu 1) nicht versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Klägerin arbeitete zunächst als Finanzbeamtin, bis sie dann im Jahr 1980 eine Tätigkeit als kaufmännische Angestellte in der Firma ihres Ehemannes aufnahm, der in I einen Malerbetrieb in der Rechtsform eines einzelkaufmännischen Unternehmens betrieb. Im Dezember 1984 gründeten die Klägerin und ihr Ehemann die beigeladene GmbH (Beigeladene zu 1). Geschäftsgegenstand der Beigeladenen zu 1) ist der Handel mit Tapeten, Farben, Glas und Bodenbelägen sowie die Verarbeitung der genannten Gegenstände. Die Klägerin ist an der Beigeladenen zu 1) mit 10 %, der Ehemann mit 90 % beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH ist der Ehemann der Klägerin; bezüglich des Stimmrechts ist vereinbart, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einstimmig zu fassen sind (§ 8 des Gesellschaftsvertrages). Die Klägerin ist bei der beigeladenen GmbH - wie zuvor bei dem Einzelhandelsunternehmen - im kaufmännischen Bereich tätig. 1985 hat sie den Einzelhandel vergrößert, nimmt seither den Einkauf hierfür selbständig wahr und ist ferner auch für den Verkauf zuständig. Die Klägerin erhält ein festes monatliches Gehalt, das auf ihr privates Bankkonto überwiesen wird und das im Falle von Krankheit und Urlaub fortgezahlt wird. Erhöhungen des monatlichen Entgelts im Laufe der Jahre beruhten immer auf der Ausdehnung des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit der Klägerin in der Firma.

Durch Bescheid vom 28.03.1985 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Am 23.11.2007 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 28.03.1985 zurückzunehmen und festzustellen, dass sie in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) seit dem 12.12.1984 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Sie gab an, ohne arbeitsvertragliche Grundlage unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens eine monatliche Vergütung i.H.v. 1.300,- Euro zu erhalten, die im Falle von Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von 6 Wochen fortgezahlt werde. Ihr Gehalt werde als Betriebsausgabe verbucht. Sie unterliege keinem Weisungsrecht der Gesellschaft, sondern bestimme und gestalte ihre Tätigkeit frei, abhängig von den betrieblichen Erfordernissen. Personal könne sie nicht selbständig einstellen; gekündigt werden könne sie nur aus wichtigem Grund. Sie habe der Beigeladenen zu 1) Darlehen i.H.v. insgesamt 66.300,- Euro gewährt.

Nachdem die Beklagte mehrfach schriftlich lediglich ihre Auffassung bekräftigt hatte, dass sie weiterhin von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin ausgehe, ohne jedoch förmlich den Antrag der Klägerin zu bescheiden, hat diese am 14.04.2008 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Bescheidung ihres Antrags begehrt hat.

Durch Bescheid vom 26.05.2010 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin gemäß § 44 SGB X abgelehnt. Den dagegen unter dem 23.06.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 22.09.2010 zurück.

Die Klägerin, die nunmehr die Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2010 und des Widerspruchbescheides vom...

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