Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Amtssprache. Nichtbestehen eines Anspruchs auf Erteilung eines Bescheids in niederdeutscher bzw plattdeutscher Sprache

 

Orientierungssatz

Die beanstandete Abfassung eines Bescheids auf Hochdeutsch und nicht auf Nieder- bzw Plattdeutsch steht in Übereinstimmung mit § 19 Abs 1 SGB 10, wonach die Amtssprache deutsch ist.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 02.07.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Bescheiderteilung lediglich in hochdeutscher, nicht aber in niederdeutscher bzw. plattdeutscher Sprache.

Der Kläger bezog (jedenfalls) in den Jahren 2016 bzw. 2017 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Rahmen eines Vermittlungsgesprächs beim Beklagten am 26.09.2016 äußerte der Kläger gemäß einem Vermerk des Beklagten u.a. den Wunsch, im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d Abs. 1 Satz 1 SGB II im Bauernhausmuseum in D zu arbeiten. Daraufhin schlossen der Kläger und der Beklagte am selben Tag eine bis zum 25.03.2017 gültige Eingliederungsvereinbarung mit der Zielsetzung Aufnahme einer Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit. Im "Profiling" des Klägers wurden als Stärken u.a. "Kommunikationsfähigkeit" und "erweiterte Kenntnisse in Büro- und Verwaltungsarbeiten" festgehalten. Nach Vorsprache des Klägers beim C-Museum bejahte der Beklagte ausweislich eines Vermerks vom 04.10.2016 die Fördervoraussetzungen und wies dem Kläger mit Bescheid vom 20.02.2017 eine Arbeitsgelegenheit in Form der Mitarbeit im Bereich Hauswirtschaft bei der D C-Museum gGmbH für die Zeit vom 01.03.2017 bis zum 18.10.2017 zu. Als Tätigkeitsfeld werden "Unterstützung bei der Durchführung von museumspädagogischen Angeboten im Bereich der bäuerlichen Produktion (Backen, Buttern, Milcherzeugung) - Instandhaltung der Utensilien für die Produktion - Vorhaltung der benötigten Materialien sowie Überprüfung und Einrichtung der Museumseinrichtungen für diese Angebote)" genannt. Der zeitliche Umfang wird mit 30 Stunden, die Mehraufwandsentschädigung mit 1,30 EUR pro Stunde angegeben. Der Bescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung und den Hinweis auf die Möglichkeit einer Sanktionierung. Gemäß einem Vermerk vom 04.05.2017 war der Kläger mit der Tätigkeit "sehr zufrieden" und empfand sie mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden als "auslastend".

Am 18.03.2017 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Zwar stelle er den Bescheid inhaltlich nicht in Frage. Er habe die Stelle zum 01.03.2022 angetreten und "gebe sein Bestes". Da der Bescheid keine Übersetzung ins Niederdeutsche beinhalte, fühle er sich als Angehöriger der Niederdeutschen Volksgruppe jedoch wegen seiner Sprache und ethnischen Herkunft diskriminiert. Das Niederdeutsche sei durch die Europäische Sprachencharta vom 09.07.1998 als eigenständige Sprache anerkannt. Es liege eine Benachteiligung i.S.v. § 2 AGG vor. § 23 VwVfG, der Deutsch als Amtssprache vorsehe, werde durch die §§ 1-3 AGG, wonach Angehörige anerkannter Sprachminderheiten nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt werden dürften, eingeschränkt. Er bitte um Übersetzung des Bescheides ins Niederdeutsche oder um Nachreichung eines entsprechenden Bescheides.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei die Amtssprache Deutsch. Das AGG finde im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil der Kläger kein Arbeitnehmer i.S.v. § 6 AGG sei, sondern bei der Arbeitsgelegenheit im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Sonderverhältnisses tätig werde. Auch seien weder § 33c SGB I noch § 19a Abs. 1 SGB IV verletzt. Der Kläger werde nicht wegen seiner Rasse oder wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt. Die einheitliche Verwendung des Hochdeutschen in der Amtssprache diene der Verständlichkeit von Erklärungen von Bürgern und Behörden. Eine Übersetzung bzw. ein Dolmetscher seien nicht notwendig, weil der Kläger sich auf Hochdeutsch verständigen könne. Eine deutsche Behörde sei auch nicht verpflichtet, Verwaltungsakte in einer anderen Sprache abzufassen. Dass in Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein Regelungen zur Verwendung der sorbischen und friesischen Sprache bestünden, sei rein landesrechtlicher Natur und wirke sich im Anwendungsbereich des SGB X nicht aus.

Am 23.05.2017 hat der Kläger - nach zwischenzeitlichem (unbeanstandet gebliebenem) Abschluss einer weiteren Eingliederungsvereinbarung am 04.05.2017 in hochdeutscher Sprache - beim Sozialgericht Detmold Klage gegen den Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2017 erhoben. Er hat u.a. eine "Rassendiskriminierung" beklagt, weil ihm als Angehörigen der plattdeutschen Sprachminderheit ("Niederdeutscher aus Westfalen") die "Gleichbehandlung mit Hochdeutschen...

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