Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Voraussetzung der Einordnung einer Tätigkeit als Interviewer als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelentscheidung zu LSG Essen, Urteil vom 8. Dezember 2010, Az.: L 8 R 191/10

 

Orientierungssatz

Arbeitete ein im Rahmen einer freien Mitarbeit vertraglich verpflichteter Interviewer in einem Meinungsforschungsinstitut ausschließlich in den Studios des Auftraggebers, setzte er zudem für die Tätigkeit einen vom Auftraggeber vorgegeben Fragekatalog und eine vorgegebene Hard- und Software ein und erfolgte die Bezahlung auf Stundenbasis nach einem vom Auftraggeber festgelegten Stundensatz, so ist von einer Sozialversicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.11.2008 geändert und die Klage hinsichtlich der den Beigeladenen zu 1) betreffenden Beitragsforderung abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.699,59 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin für den Beigeladenen zu 1), der für sie von November 1999 bis Dezember 2002 als Interviewer tätig war, Beiträge aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 2.687,91 Euro für den Zeitraum vom 1.12.1999 bis 18.12.2002 zu zahlen hat. Hinsichtlich der ursprünglich geltend gemachten Beitragsforderung für November 1999 in Höhe von 11,68 Euro hat die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 im Verhandlungstermin am 8.12.2010 aufgehoben.

Die Klägerin ist ein Markt- und Meinungsforschungsunternehmen, welches für verschiedene Auftraggeber Kundenzufriedenheitsbefragungen, Marktpotentialerhebungen und anderweitige Meinungsbefragungen im Streitzeitraum von 1999 bis 2002 durchführte. Sie entwickelte dafür unter anderem auftragsspezifische, strukturierte Interviews mit festgelegten Fragen, welche von den Interviewern der Klägerin telefonisch durchgeführt wurden. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin die zu befragenden Zielgruppen, die Zahl der für ein Projekt bzw. eine Studie durchzuführenden Interviews sowie die einzuhaltende sog. Feldzeit, bei der es sich um den Zeitraum handelt, innerhalb dessen das Projekt bzw. die Studie abgeschlossen sein muss. Die Antworten der Gesprächspartner wurden über die für die jeweiligen Aufträge entwickelten Eingabemasken in den Computer eingegeben. Die so gewonnenen Daten wurden empirisch ausgewertet. Zur Durchführung der Interviews stellte die Klägerin den Interviewern Arbeitsplätze mit Computer und Telefon in sogenannten Telefonstudios mit 15 bis 30 Telefonarbeitsplätzen zur Verfügung. Pro 15 Telefonarbeitsplätze befand sich ein Supervisor im Telefonstudio. Dieser hatte auf die Einhaltung studienspezifischer Belange und allgemeiner Regeln der Interviewführung zu achten. Zu diesem Zwecke verfolgten die Supervisoren einzelne Interviews mit, schrieben ein Bewertungsprotokoll, das als Grundlage für die Bewertung der Interview-Qualität diente, und gaben dem Interviewer ein Feedback zu jedem bewerteten Interview. Gleichzeitig sollte diese Maßnahme sicherstellen, dass die Interviews tatsächlich erbracht wurden. Darüber hinaus oblag dem Supervisor die technische und inhaltliche Betreuung der Interviewer während einer Schicht. Der Einsatz der Interviewer erfolgte in einem Schichtsystem von 4-Stunden-Schichten. Pro Stunde war eine bezahlte Pause von 5 Minuten, insgesamt 20 Minuten pro Schicht vorgesehen. Darüber hinaus war hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer eine freie Pausenwahl möglich.

Die von der Klägerin eingesetzten Interviewer wurden von dieser durch eine allgemeine Schulung auf ihre Tätigkeit als Interviewer vorbereitet. Dazu erhielten sie studienspezifische Einweisungen. Der konkrete Einsatz der Interviewer wurde wöchentlich im Voraus für die folgende Kalenderwoche zeitlich festgelegt und verbindlich vereinbart, wobei schriftliche Vereinbarungen nicht geschlossen wurden. Zum Zweck der Einsatzplanung fanden sich die Interviewer bei der Klägerin zu einer festgelegten Zeit persönlich ein, um mit den für die Klägerin tätigen Supervisoren die konkreten Einsätze für die folgende Kalenderwoche zu verhandeln. Dabei gaben die Interviewer jeweils an, an welchen Tagen sie in welchen Schichten arbeiten wollten. Diesen Wünschen wurde soweit wie möglich Rechnung getragen. Wenn zu den nachgefragten Zeiträumen keine Arbeit zu vergeben war, wurde im Einzelnen verhandelt, ob ein Einsatz zu einer anderen Zeit erfolgen konnte. Falls auf diesem Wege der Bedarf an Interviewern nicht gedeckt werden konnte, wurden weitere Interviewer telefonisch kontaktiert, bis der Arbeitskräftebedarf gedeckt war. Falls auch auf d...

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