Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Besondere Kostform. Verzicht auf bestimmte Lebensmittel. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. kein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis bei Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel
Orientierungssatz
1. Die Gewährung eines Mehrbedarfs i. S. von § 21 SGB 2 kann nicht isolierter Streitgegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens sein. Ebensowenig entfaltet die abschnittsweise Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 14. 2. 2013, B 14 AS 48/12 R).
2. Die Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB 2 setzt ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis voraus. Durch den Mehrbedarf muss nicht sichergestellt werden, dass jemand umfassend für diejenigen Produkte, welche er krankheitsbedingt nicht verzehren kann, Ersatzprodukte erwerben kann. Gfs. muss er auf diese Produkte verzichten.
3. Der Einkauf von Produkten im Biomarkt oder Reformhaus und der hierdurch bedingte Mehraufwand rechtfertigt nicht die Bewilligung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB 2.
Normenkette
SGB II § 21 Abs. 5
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.02.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2010 bis zum 31.10.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Die am 00.00.1962 geborene Klägerin, die ua an einer absorptiven Hyperkalziaemie mit im unteren Normbereich liegender szintigraphischer Nierenclearance und nicht eingeschränkter laborchemischer Nierenfunktion leidet, bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Mit ihrem am 01.03.2010 gestellten Fortzahlungsantrag legte sie eine ärztliche Bescheinigung des Internisten Dr. S vom 19.02.2010 vor, nach der sie wegen der absorptiven Hyperkalziämie auf eine natrium-, eiweiß- und kalziumarme Diät zur Vermeidung von Folgekomplikationen angewiesen sei. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 08.03.2010 für die Zeit vom 01.05.2010 bis zum 31.10.2010 Leistungen iHv monatlich 646,27 EUR (Regelbedarf 359,00 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung 287,27 EUR).
Zur Begründung des am 30.03.2010 eingelegten Widerspruchs nahm die Klägerin auf die ärztliche Bescheinigung von Dr. S Bezug. Am 31.03.2010 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin fernmündlich mit, dass der Klägerin zunächst der Vordruck Anlage MEB übersandt wird und nach dessen Rücklauf der Ärztliche Dienst eingeschaltet wird. Erst danach könne über den Mehrbedarf/Widerspruch entschieden werden. Nach Eingang der von der Klägerin ausgefüllten Anlage MEB holte der Beklagte eine gutachterliche Äußerung der Fachärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. E vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit ein, wonach ein Mehrbedarf sich aus den vorliegenden Bescheinigung nicht erkennen lasse, da im Prinzip spezielle Nahrungsmittel weggelassen werden sollten und durch andere kostengleiche Nahrungsmittel ersetzt werden könnten. Die Klägerin legte ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. B vor, wonach sie an einer chronischen Gastritis und Pankreasinsuffizienz leide. Diese Erkrankungen erfordern spezielle Diätmaßnahmen sowie den Einkauf spezieller Diätnahrungsmittel. Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 als unzulässig. Der angefochtene Bescheid enthalte keine Entscheidung bezüglich eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.07.2010 bei dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Der Beklagte habe den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, weil in der abschließenden Bewilligungsentscheidung des Beklagten gleichzeitig eine Versagung des Mehrbedarfs zu sehen sei. Aufgrund ihrer Erkrankungen habe sie einen Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs. Sie benötige eine Ernährung, die vergleichbar mit der von Dialysepatienten sei.
Mit Bescheid vom 20.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2010 lehnte der Beklagte die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ab.
Die Klägerin hat am 08.12.2010 die Klage auch gegen den Bescheid vom 20.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2010 gerichtet. Der Beklagte hat in eine Klageänderung ausdrücklich nicht einwilligt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
1. den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von monatlich 130,00 EUR zu bewillig...