Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. polnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland. Bezug von Pflegesachleistungen im Rahmen der Leistungsaushilfe gem Art 17 EGV 883/2004. keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich Zahlung von Pflegegeld. Fehlen eines Einvernehmens zwischen dem zuständigen polnischen Träger und dem deutschen Träger bezgl Geldleistungsaushilfe nach Art 21 EGV 883/2004
Orientierungssatz
1. Eine polnische Staatsangehörige, die bei einem polnischen Versicherungsträger gegen das Risiko der Krankheit und Pflegebedürftigkeit versichert ist, ihren ständigen Aufenthalt nicht in Polen sondern in Deutschland gewählt hat und von einem deutschen Versicherungsträger Pflegeleistungen nach § 36 SGB 11 im Rahmen der Sachleistungsaushilfe gem Art 17 VO (EG) Nr 883/2004 (juris: EGV 883/2004) bezieht, hat keinen Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld (§ 37 SGB 11) an Stelle der gewährten Pflegesachleistung.
2. Die Vorschrift des Art 21 Abs 1 S 2 VO (EG) Nr 883/2004, wonach Geldleistungen vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden können (Geldleistungsaushilfe), erfordert die Herstellung eines Einvernehmens zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts. Ein solches ist vorliegend nicht ersichtlich.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.12.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren die Zahlung von Pflegegeld statt der bewilligten Pflegesachleistung.
Die am 00.00.1936 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige; sie bezieht eine Rente aus der polnischen Rentenversicherung. Seit dem 27.04.2017 ist die Klägerin über den polnischen Krankenversicherungsträger (Lodzki Oddzial Wojewodzki NFZ) bei der Beklagten im Rahmen der Leistungsaushilfe versichert.
Auf den im Juni 2017 gestellten Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte ihr durch Bescheid vom 29.08.2017 ab dem 19.06.2017 Pflegesachleistungen gemäß § 36 SGB XI nach dem Pflegegrad 3.
Einen auf die Gewährung von Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen (§ 37 SGB XI) anstelle der bewilligten Pflegesachleistungen (ab 19.06.2017) gerichteten Antrag der Klägerin vom 27.03.2018 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 29.03.2018 ab. Sie führte zur Begründung an, der EuGH habe im Rahmen der Sachleistungsaushilfe im zwischenstaatlichen Recht entschieden, dass ausschließlich Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden könnten. Bei Geldleistungen sehe das Gemeinschaftsrecht vor, dass diese Leistungen von dem Staat erbracht würden, in dem die Versicherung bestehe. Eine Auszahlung des Pflegegeldes sei somit nicht möglich. Es würden weiterhin Pflegesachleistungen zur Verfügung gestellt.
Mit Schreiben vom 30.10.2018 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides der Beklagten vom 29.03.2018. Sie machte geltend, die Hinweise auf europäische Regelungen träfen nicht zu, da die Klägerin auch im Herkunftsland einen Anspruch auf Pflegegeld habe.
Durch Bescheid vom 27.11.2018 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nach den europäischen Verordnungen (VO ≪EG≫ 883/04) erhalte eine (in einem anderen EU-/EWR-Staat oder der Schweiz) versicherte Person, die im Gebiet eines anderen Staates als des zuständigen Staates wohne, Geldleistungen vom zuständigen (ausländischen) Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften und Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers, bei dem das Mitgliedschaftsverhältnis bestehe, vom Träger des Wohnortes (aushelfender Träger) nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (SGB XI), als ob sie bei diesem Träger versichert wäre. Da Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates zu zahlen seien, scheide die Zahlung von Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI aus.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10.12.2018 Widerspruch und machte im Wesentlichen geltend, es liege kein Fall der Leistungsaushilfe vor. Die Klägerin sei nicht in Polen, sondern in Deutschland krankenversichert. Sie habe dauerhaft ihren Aufenthalt in Deutschland genommen. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würden von ihrer Rente abgehalten. Von polnischer Seite habe man ihr mitgeteilt, dass sie in Polen nicht mehr kranken- und pflegeversichert sei. Zudem kenne die polnische Krankenversicherung keine dem Pflegegeld entsprechende Leistung. Hierzu führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus (Schreiben vom 29.03.2019), diese sei ihr durch die polnische Krankenversicherung zum 27.04.2017 mit dem Vordruck S1 als Betreute im Ausland gemeldet worden. Als betreuende Krankenkasse sei die Lodzki Oddzial Wojewodzki NFZ angegeben worden. Die Beklagte nahm Bezug auf ein am 20.05.2017 bei ihr eingegangenes S1-Formular in polnischer Sprach...