Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Einfluss fehlerhafter Erstattung zwischen Leistungsträgern auf den Leistungsanspruch des Berechtigten

 

Orientierungssatz

1. Die §§ 102 ff. SGB 10 regeln Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, nicht jedoch Ansprüche des Leistungsempfängers gegen einen Sozialleistungsträger. Die Erstattung vollzieht sich dementsprechend allein zwischen den Leistungsträgern ohne Beteiligung des Leistungsberechtigten. Der Anspruch des Leistungsberechtigten geht nicht auf den erstattungsberechtigten Leistungsträger über. Zahlt der erstattungspflichtige dem erstattungsberechtigten Leistungsträger einen zu hohen Betrag aus, so wird der Leistungsträger insoweit nicht von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistungsberechtigten frei.

2. Hat der Rentenversicherungsträger als Erstattungspflichtiger dem Grundsicherungsträger als Erstattungsberechtigten zu Unrecht Beträge erstattet, so ist er von seiner Leistungspflicht aus dem Rentenversicherungsverhältnis gegenüber dem Versicherten nicht befreit worden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.08.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtsfolgen einer Rentenbewilligung.

Die Klägerin bezog in den Jahren 2014/15 eine gesetzliche Witwenrente und eine betriebliche Witwenrente. Der Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 28.01.2014 aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von März bis August 2014.

Unter dem 29.01.2014 forderte der Beklagte die Klägerin auf, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. In dem Schreiben heißt es: "Sie gehören somit nicht mehr zum Personenkreis der Berechtigten, die Leistungen nach dem SGB II erhalten können (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB II). Gleichwohl haben Sie gemäß § 44a SGB II grundsätzlich bis zur Entscheidung über das Vorliegen einer Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung Anspruch auf Leistungen (Arbeitslosengeld II). Diese Leistungen werden jedoch ab sofort vorläufig erbracht."

Mit Bescheid vom 15.08.2014 wurden der Klägerin aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von September 2014 bis Februar 2015 - ohne Hinweis auf die Vorläufigkeit der Leistungen - bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 22.11.2014 wurden die Leistungen ab Januar 2015 an den neuen Regelbedarf angepasst. Mit Bescheid vom 26.02.2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von März bis August 2015, erneut ohne Hinweis, dass dies nur vorläufig geschehen solle.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27.07.2015 rückwirkend für die Zeit ab dem 01.03.2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und wies darauf hin, dass die laufende Rentenzahlung ab dem 01.09.2015 beginnen werde. Für die Zeit von März 2014 bis August 2015 wurde der Nachzahlungsbetrag mit 5.537,58 Euro angegeben.

Der Beklagte machte daraufhin gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Erstattungsanspruch geltend und bezifferte diesen mit Schreiben vom 03.08.2015 auf 5.158,74 Euro zuzüglich Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 930,74 Euro bzw. 135,72 Euro. Dieses Schreiben übersandte der Beklagte auch an die Klägerin. In dem Begleitschreiben heißt es: "Sehr geehrte Frau G den beigefügten Abdruck übersende ich Ihnen mit der Bitte um Kenntnisnahme. Bitte beachten Sie, dass von Ihnen keine Zahlungen zu leisten sind. Das beigefügte Schreiben ist lediglich zu Ihrer Information bestimmt."

Vor dem Hintergrund einer Mitteilung des Sozialamtes der Stadt E an den Beklagten, dass Leistungen nach dem SGB XII erst ab Oktober 2015 gewährt werden könnten, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 07.08.2015 erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für September 2015.

Gegen das Schreiben des Beklagten vom 03.08.2015 erhob die Klägerin Widerspruch, mit welchem sie eine Neuberechnung des Erstattungsbetrages begehrte. Sie machte insoweit geltend, nach § 40 Abs. 4 SGB II seien 56 % der berücksichtigten Bedarfe von Unterkunft und Heizung nicht zu erstatten. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2016 verwarf der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig mit der Begründung, bei dem Schreiben vom 03.08.2015 habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund informierte die Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2015 über die Abrechnung der Rentennachzahlung: Von der Rentennachzahlung für März 2014 bis August 2015 i.H.v. 5.537,58 Euro werde lediglich ein Betrag i.H.v. 378,84 Euro ausgezahlt, weil 5.158,74 Euro an den Beklagten erstattet würden.

Mit ihrer bereits am 14.12.2015 vor dem Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetra...

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