Entscheidungsstichwort (Thema)
Alg II. Hilfebedürftigkeit. Immobilienvermögen. Verwertbarkeit. Selbst genutztes Grundstück. Angemessene Größe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Vermietung stellt wie die Teilung eines Grundstücks bzw. Hauses eine Form der Verwertung dar, bietet aber keinen Ansatz zur Erhöhung der angemessenen Wohnfläche. Die Tatsache, dass eine Wohnung vermietet ist und die Mieteinkünfte als Einkommen angerechnet werden, kann bei der Frage der Angemessenheit des Hauses keine Berücksichtigung finden.
2. Bei einem Zweifamilienhaus im Eigentum des Alg II-Antragstellers, von dem er eine Wohnung selbst bewohnt und die andere vermietet hat, ist daher für die Frage der angemessenen Größe im Rahmen des § 12 SGB II auf die tatsächliche Gesamtwohnfläche des Hauses abzustellen und nicht nur auf die Größe der selbstgenutzten Wohnung.
Normenkette
SGB II § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 4, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9; Zweites Wohnungsbaugesetzbuch § 39
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.07.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern im Zeitraum September bis November 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss statt lediglich als Darlehen zu gewähren sind.
Die miteinander verheirateten, am 00.00.1950 bzw. 00.00.1952 geborenen Kläger zu 1) und 2) bezogen als Bedarfsgemeinschaft seit Januar 2005 vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger zu 1) ist Eigentümer eines 1983 erbauten Zweifamilienhauses unter der Anschrift B 00, E (GB-Blatt 1754, Flur 00, Flurstück 000, Gemarkung T, Gemeinde E). Die Grundstücksfläche beträgt 1.454 qm, die Gesamtwohnfläche 185 qm (EG-Wohnung 115 qm, DG-Wohnung 70 qm). Auf dem Grundstück lasten keine Darlehensverbindlichkeiten. Die Kläger selbst bewohnen die Dachgeschosswohnung, die Erdgeschosswohnung war im streitigen Zeitraum zu einem Mietzins von 350 Euro vermietet. Darüber hinaus ist der Kläger Eigentümer eines Grundstücks von 1.102 qm, ebenfalls Gemarkung T (GB-Blatt 2741, Flur 00, Flurstück 001, Gebäude- und Freifläche). Für dieses Grundstück, für das ein Erbbaurecht eingetragen ist, erhält der Kläger vom Pächter, der ein grundbuchlich gesichertes Vorkaufsrecht hat, einen monatlichen Erbbauzins von 75,25 Euro.
Auf einen Fortzahlungsantrag vom 05.08.2009 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom selben Tag zunächst vorläufig weitere Leistungen, teilte jedoch mit, dass das Immobilienvermögen der Kläger, dessen Beurteilung einige Zeit in Anspruch nehme, ggf. die Hilfebedürftigkeit ausschließe.
Im Folgenden holte der Beklagte eine überschlägige Wertaussage des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis M und in der Stadt E vom 25.09.2009 ein. Dieser setzte den überschlägigen Verkehrswert auf 170.000 Euro an.
Mit Bescheid vom 04.11.2009 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Leistungsgewährung ab. Das Eigenheim sei verwertbares Vermögen gem. § 12 SGB II. Es unterfalle nicht dem Verwertungsschutz des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, da die angemessene Wohnfläche von 90 qm um 83 qm überschritten werde. Auch die Grundstücksfläche liege deutlich über den im ländlichen Bereich als höchstens angemessen anzusehenden 800 qm. Die Verwertung sei auch weder nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II unwirtschaftlich noch eine besondere Härte. Unter Abzug der Freibeträge ergebe sich ein Vermögensüberschuss von 151.000 Euro, der zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit eingesetzt werden könne.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Kläger vom 09.11.2009, in dem diese darauf verwiesen, dass sie selbst nur 70 qm bewohnen würden und die andere Wohnung unter Anrechnung der Mieteinnahmen durch den Beklagten vermietet sei, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 zurück. Ergänzend zu seiner bisherigen Begründung führte er aus, dass für die Frage der Angemessenheit der Wohnfläche nicht lediglich die selbst genutzte Wohnfläche, sondern die gesamte Wohnfläche des Wohneigentums maßgeblich sei.
Für die Zeit ab Dezember 2009 gewährte der Beklagte den Klägern auf ihren Antrag Leistungen in Form eines Darlehens.
Die Kläger haben am 17.12.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold erhoben und beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 04.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 aufzuheben und das beklagte Jobcenter zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.09.2009 bis 30.11.2009 Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen angeführt, dass es sich bei dem Haus um Schonvermögen handele und auch der behauptete Verkehrswert unter Beachtung der Marktsituation im ländlichen Raum und des Standards des maroden Hauses (Sanierungsbedarf) völlig unrealistisch sei. Darüber hinaus sei eine Verwertung des Haus...