Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Hilfebedürftigkeit zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung - weiterer Verwaltungsakt als Gegenstand des Klageverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt. Handelt es sich bei beiden Entscheidungen um unterschiedliche Regelungsgegenstände, so greift § 96 Abs. 1 SGG nicht.

2. Zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach § 7 SGB 2 ist der Nachweis der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers i. S. von § 9 SGB 2 erforderlich. Erhält dieser Geldzuwendungen von dritter Seite und ist deren Umfang nicht aufzuklären, so geht die Unaufklärbarkeit der Einkommenssituation und damit der Hilfebedürftigkeit nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Antragstellers.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.03.2021; Aktenzeichen B 14 AS 71/20 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 30.11.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) (Arbeitslosengeld II).

Der 1961 geborene Kläger bezog von dem Beklagten erstmalig von 2006 bis 2012 mit mehrfachen Unterbrechungen wegen der Aufnahme einer Tätigkeit Arbeitslosengeld II. Er wohnte zu dieser Zeit mietfrei bei seiner Mutter E O. Der Kläger war dann von Juni 2012 bis März 2015 als Monteur versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss daran bezog er zunächst Arbeitslosengeld I und stellte am 16.06.2016 dann einen Leistungsantrag bei dem Beklagten. Er wohnte zu diesem Zeitpunkt in der B-Str. 00 in L. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen (Bescheid vom 27.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2016). Das daraufhin vom Kläger eingeleitete Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 37 AS 4399/16 ER - L 6 AS 2353/16 B ER) und das ebenfalls durchgeführte Klageverfahren (Az.: S 37 AS 4285/16 - L 2 AS 1309/17) blieben erfolglos. Im Rahmen dieses Klageverfahrens gab der Kläger in einem Erörterungstermin am 28.04.2017 an, dass er seine Wohnung im Januar 2017 verloren und derzeit keine eigene Wohnung habe. Er wohne bei Freunden bzw. Verwandten in L. Nähere Angaben dazu wolle er nicht machen, da keine der Personen in diesen Fall hineingezogen werden solle. Auf Hinweis des Sozialgerichts, dass zumindest nachvollzogen werden müsse, ob sich der Kläger in L aufhalte, erklärt dieser: "Hierzu mache ich keine Aussagen". Mit Bescheid vom 27.06.2017 lehnte der Beklagte daraufhin einen weiteren Leistungsantrag des Klägers vom 16.01.2017 ab. Der Kläger habe weder seine Hilfebedürftigkeit noch seinen Aufenthaltsort nachgewiesen.

Am 22.01.2018 stellte der Kläger den hier streitgegenständlichen Leistungsantrag bei dem Beklagten. Er legte eine Bescheinigung über die Errichtung einer Postadresse der Diakonie L vom 04.09.2017 vor und gab an, dass er sich ohne festen Wohnsitz in L aufhalte. Mit Bescheid vom 16.02.2018 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Der Kläger habe weder seine Hilfebedürftigkeit noch seinen Aufenthaltsort nachgewiesen. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehe daher nicht. Der Kläger legte hiergegen am 26.02.2018 Widerspruch ein. Er verfüge über kein Einkommen und seine Ersparnisse seien längst aufgebraucht. Auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung könne er nicht mehr zahlen. Die von ihm angegebene Postadresse sei noch aktuell. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da sich der Kläger unvermindert weigere, nähere Angaben zu seinen Lebensumständen und zur bisherigen Sicherstellung des Lebensunterhalts zu machen, sei weiterhin keine Hilfebedürftigkeit feststellbar.

Der Kläger hat hiergegen am 27.04.2018 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Er habe bereits mehrfach angegeben, dass er über kein Einkommen und kein Vermögen verfüge. Aufgrund seines Wohnungsverlustes sei er auf die Hilfe von Freunden und Verwandten angewiesen, bei denen er auch wohne. Nähere Angaben zu seinem konkreten Aufenthaltsort hat er trotz Nachfrage zunächst nicht gemacht.

Das Sozialgericht hat die Klage daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2018 abgewiesen. Es lasse sich schon nicht feststellen, ob der Beklagte überhaupt der örtlich zuständige Träger sei, weil der Aufenthaltsort des Klägers nicht zu bestimmen sei. Der Kläger weigere sich diesbezüglich, die Anschriften und Namen der Freunde und Verwandten anzugeben, bei denen er sich aufhalte. Sein tatsächlicher Aufenthaltsort sei deshalb nicht zu ermitteln. Auch seine Hilfebedürftigkeit sei nicht zu feststellbar, weil nicht aufgeklärt werden könne, welche Bedarfe beim Kläger bestehen und inwieweit er als Einkommen zu berücksichtigende Zuwe...

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