Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der erteilten Vollmacht als Zulässigkeitsvoraussetzung eines vom Bevollmächtigten eingelegten Widerspruchs

 

Orientierungssatz

1. Zur Zulässigkeit eines nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG erhobenen Widerspruchs hat der Bevollmächtigte gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 SGB 10 auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Geschieht dies nicht, so ist der durch ihn erhobene Widerspruch unzulässig.

2. Ist eine Vollmacht für ein konkretes Verfahren erteilt worden, so ist damit nur ein bestimmtes Verfahren gemeint. Davon werden nicht erfasst künftige bei Ausstellung der Vollmacht noch gar nicht absehbare Verfahren.

3. Die Behörde kann im Verwaltungsverfahren nicht generell gegenüber Rechtsanwälten vom Nachweis der Vollmacht absehen. Sie hat nach § 13 Abs. 1 S. 3 SGB 10 nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden. Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht muss mit einer angemessenen Frist und dem Hinweis verbunden sein, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig verworfen wird.

4. Der Nachweis der schriftlichen Bevollmächtigung kann nicht nach der Entscheidung über den Widerspruch mit heilender Wirkung für das Widerspruchsverfahren erfolgen (LSG Essen Beschluss vom 16. 10. 2013, L 2 AS 1342/13 B).

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2019 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zulässigkeit eines Widerspruchs.

Die 1990 geborene Klägerin zu 1.) sowie die mit ihr in einem Haushalt lebenden Kinder, die 2015 geborene Klägerin zu 2.) und der 2016 geborene Kläger zu 3.), beziehen bei dem Beklagten laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger hatten sich in Bezug auf eine offene Zahlung einer Mietkaution bereits am 04.11.2016 in einem Verwaltungsverfahren für die Kläger bestellt und eine Vollmacht der Klägerin zu 1.), unterzeichnet unter dem 31.10.2016, vorgelegt. Am 08.12.2016 erhoben die Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen einen Entziehungsbescheid vom 29.11.2016 und legten ebenfalls eine auf den 31.10.2016 datierende Vollmacht der Klägerin zu 1.) vor.

Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom 20.12.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bewilligungsbescheid vom 21.12.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018. Die Kosten der Unterkunft erkannte der Beklagte in den einzelnen Monaten jeweils nicht in voller Höhe an.

Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 24.01.2017 per Telefax im Namen der Kläger Widerspruch. Er fügte eine von der Klägerin zu 1.) unter dem 31.10.2016 unterzeichnete Vertretungsvollmacht bei. Das Telefax ging zunächst bei der Elterngeldstelle der Stadt F ein, weshalb der Beklagte nach eigenen Angaben erst durch eine am 25.04.2017 bei dem Sozialgericht Duisburg (SG) erhobene Untätigkeitsklage (Az. S 45 AS 1900/17) von dem Schreiben erfuhr. Die übersandte Vollmacht lautete:

"Vollmacht s Rechtsanwaltsgesellschaft mbH [Adresse] wird von: L, I Name des Vollmachtgebers bevollmächtigt 1. zur Vertretung im Widerspruchsverfahren gegen das Jobcenter.; 2. eine Untätigkeitsklage beim zuständigen Sozialgericht gegen das Jobcenter durchzuführen, sollte dieses nicht innerhalb von 3 Monaten nach dem Widerspruch entsprechend beschieden haben; 3. zur Durchführung des Klageverfahrens beim zuständigen Sozialgericht gegen einen negativen Widerspruchsbescheid; 4. zur Prozessführung (u.a. nach §§ 81 ff. ZPO) einschließlich der Befugnis zur Erhebung und Zurücknahme von Widerklagen; 5. zur Vertretung in und Bußgeldsachen; 6. zur Vertretung in sonstigen Verfahren und bei außergerichtlichen Verhandlungen aller Art; 7. zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen in Zusammenhang mit obig angeführter Angelegenheit. 8. Die Vollmacht gilt für alle Instanzen und erstreckt sich auch auf Neben- und Folgeverfahren aller Art (z.B. Arrest und einstweilige Verfügung, Kostenfestsetzungs-, Zwangsvollstreckungs-, Interventions-, und Insolvenzverfahren). Sie umfasst insbesondere die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen, die Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu übertragen (Untervollmacht), Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen oder auf sie zu verzichten, den Rechtsstreit oder außergerichtliche Verhandlungen durch Vergleich, Verzicht oder Anerkenntnis zu erledigen, Geld, Wertsachen und Urkunden, insbesondere auch den Streitgegenstand und die von dem Gegner, von der Justizkasse oder von sonstigen Stellen zu erstattenden Beträge entgegenzunehmen sowie Akteneinsicht zu nehmen. F, 31.10.2016 I L. Ort, Datum Unterschrift des Vollmachgebers"

Der Name des Vollmachtgebers sowie Ort, Datum und Unterschrift waren handschriftlich eingetragen, die übrigen Angaben vorgedruckt.

Mit Schreiben vom 11.05...

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