Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung. Konstellation B1: Begleitspondylose. Zusatzkriterien der Konstellation B2. Vorliegen der Konstellation B3. Vorliegen individueller Umstände nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. bisegmentale Bandscheibenschäden bei L4/5 und L5/S1
Orientierungssatz
1. Liegt eine Begleitspondylose iS der Konsensempfehlungen nicht vor, so scheidet eine Bejahung der Konstellation B1 von vorneherein aus.
2. Das erste Zusatzkriterium "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" der Konstellation B2 liegt erst bei einer mindestens dreisegmentalen Schädigung vor.
3. Eine Bejahung des zweiten Zusatzkriteriums der Konstellation B2 der Konsensempfehlungen setzt eine besonders intensive Belastung voraus. Bei Unterschreiten des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) von 25 MNh ist diese zu verneinen.
4. Das dritte Zusatzkriterium der Konstellation B2, nämlich ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen, wird nur bei der Manipulation ganz erheblicher Lasten erreicht.
5. Der fehlende Konsens in der Arbeitsgruppe bei der Konstellation B3 der Konsensempfehlungen bedeutet nicht, dass damit eine Anerkennung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall unmöglich wäre. Entscheidend ist vielmehr, ob individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende Umstände vorliegen, die im konkreten Einzelfall den Ursachenzusammenhang hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7).
6. Ein nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannter Erfahrungssatz, wonach eine Befundkonstellation (bisegmentale Bandscheibenschädigung bei L4/5 und L5/S1) ohne Begleitspondylose und ohne die Zusatzkriterien der Konstellation B2 durch die in der BK 2108 genannten Einwirkungen verursacht werden kann, lässt sich nicht feststellen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.09.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV - im folgenden BK 2108) und die Gewährung von Leistungen.
Der am 00.00.1948 geborene Kläger war nach der Ausbildung zum Schlosser und der Bundeswehrzeit von 1970 bis 1987 als Schlossergeselle und anschließend als Schlossermeister und selbständiger Unternehmer berufstätig. Nach seinen Angaben hat er die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit bis Oktober 2010 ausgeübt. Er beantragte sodann bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Ziffern 2108 und 2109. In dem von der Beklagten durchgeführten Ermittlungsverfahren zur Arbeitsplatzexposition führte der Diplom-Wirtschaftsingenieur M von der Fachstelle Ergonomie der Beklagten im Bericht vom 26.05.2010 aus, der Kläger habe während seines Berufslebens in der Werkstatt Stahlbaukonstruktionen gefertigt und bei den Kunden eingesetzt. Es handele sich um Treppen, Podeste, Geländer, Balkonanbauten, Bodenabweiser, Regale, Garagentore, Gitter, Tore usw. Sein Aufgabenbereich habe darin bestanden, Material zum Fertigungsplatz heranzuschaffen, zu trennen, zu bohren und zu schleifen, auszurichten, zusammenzufügen und zu heften, sowie die Schweiß- und Nachbearbeitung durchzuführen, gefertigte Werkstücke auf eine Kfz- oder Lkw-Ladefläche zu verladen und Teile auf der Baustelle zu montieren. Dabei habe er Hebetätigkeiten bei verschiedenen Teilen ausgeführt, wie z. B. bei Kopfplatten, Profilen, Blechen, Gitterrosten, Rohren usw. Die Anzahl der manuellen Lastenhandhabung sei unterschiedlich gewesen. An manchen Tagen habe er 20 Teile je Schicht gehoben, an anderen Tagen überwiegend Heft- und Schweißarbeiten vorgenommen und keine nennenswerten Hebetätigkeiten ausgeführt. Nennenswerte Lasten auf den Schultern im Sinne der BK 2109 habe der Kläger nicht getragen. Die Berechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell habe eine Gesamtdosis von 13,2 MNh ergeben. Belastungen im Sinne der BK 2109 sei der Kläger danach nicht ausgesetzt gewesen.
Sodann erstattete die Leitende Ärztin Dr. S N, C in C, ein Zusammenhangsgutachten und führte unter dem 25.10.2010 aus, aufgrund des Verteilungsmusters der degenerativen Veränderung im Bereich der Wirbelsäule sei die Anerkennung der BK 2108 abzulehnen. Klinisch ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine lumbale bandscheibenbedingte Erkrankung.
Mit Bescheid vom 07.12.2010 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Es liege weder eine BK nach Nr. 2108 noch nach der Nr. 2109 vor. Den dag...