Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV ist erforderlich, dass der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben und getragen hat bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat. Maßgeblich ist das Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD). Durch die berufliche Tätigkeit muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden sein und noch bestehen. Der im MDD für die Gesamtbelastungsdosis vorgeschlagene Orientierungswert von 25 MNh ist vom BSG auf 12,5 MNh herabgesetzt worden.

2. In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Deshalb ist zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule notwendig, dass die Voraussetzungen der Konsensempfehlungen zusätzlich erfüllt sind.

3. Bei Nicht-Konsensfällen ist eine individuelle Beurteilung und Würdigung des Einzelfalls erforderlich. Hierzu ist der Nachweis biomechanischer Besonderheiten der beruflichen Einwirkungen bzw. einer außerordentlichen Schwere oder Ausprägung der Bandscheibenvorfälle erforderlich.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK 2108).

Der im Juli 1963 geborene Kläger absolvierte vom August 1979 bis Juli 1982 eine Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer und war anschließend in diesem Beruf bis Juni 1983 tätig und dann zunächst arbeitslos. Von Januar 1984 bis Dezember 1987 leistete er einen 4-jährigen Wehrdienst ab. Ab Januar 1988 arbeitete er bis zur Tätigkeitsaufgabe im Februar 2008 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie einer Tätigkeit als Bürohilfe (Juni 2001 bis Dezember 2003) als Installateur. Die Installationen betrafen Neu-, Um-, Aus- und Anbaumaßnahmen.

Nach Eingang der BK-Anzeige von Dr. X vom 22.04.2008, der über einen Bandscheibenvorfall L5/S1 im Februar 2008 berichtete, leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren zur BK 2108 ein. Ihr Technischer Aufsichtsdienst (TAD) kam auf der Grundlage der Angaben des Klägers in den Stellungnahmen vom 24.09.2008 und 11.01.2010 zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Installateur einschließlich der Zeiten der Ausbildung eine Gesamtbelastungsdosis von 18,27 MNh aufgenommen hat und während seiner Ausbildung an 53 Arbeitstagen im Jahr sowie während seiner Tätigkeit als Geselle an 66 Tagen im Jahr Belastungsspitzen im Sinne des 3. Zusatzkriteriums der B2 ausgesetzt war. Die Beklagte zog ärztliche Behandlungsunterlagen bei, u. a. einen Versicherungsverlauf, einen Entlassungsbericht der Klinik Q vom 09.07.2008 sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis. Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen kam Dr. C in seinem Gutachten vom 27.12.2008 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 28.07.2009 unter Auswertung der radiologischen Zusatzgutachten von Dr. S vom 25.11.2008 und Dr. I vom 02.06.2009 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe ein Bandscheibenprolaps im Bereich L5/S1 sowie auch im Segment L4/L5. Relevante Veränderungen in den übrigen Segmenten oder eine Begleitspondylose sehe er nicht. Er erachte die Konstellation B2 für gegeben, da mehrere Bandscheiben betroffen seien und somit das erste Zusatzkriterium B2 vorliege. Die MdE sei mit 20 v. H. zu bewerten. Dieser Beurteilung konnte sich die Beklagte nicht anschließen und lehnte mit Bescheid vom 25.08.2009 die Anerkennung einer BK 2108 ab.

Hiergegen legte der Kläger am 03.09.2009 Widerspruch ein und verwies auf die Einschätzung von Dr. I und Dr. C. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage bei Dr. H, einem der Autoren der Konsensempfehlungen, ein. Dr. H kam in seinem Gutachten 02.01.2010 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2010 zusammenfassend zu dem Ergebnis, die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung sei der Konstellation B3 zuzuordnen, bei der nach Auffassung der Mehrheit der Mitglieder der Konsensusgruppe selbst bei einem Erreichen oder Überschreiten des Richtwertes von 25 MNh ein Zusammenhang beruflichen Einwirkungen nicht als wahrscheinlich anzusehen sei. Das Vorliegen eines der Zusatzkriterien der Konstellation B2 könne ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge