Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Anrechnung von einem Landwirt in Polen zurückgelegter Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Der Versicherungsträger desjenigen Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, berücksichtigt gemäß Art. 4 Abs. 2 des Abkommens Polen RV/UV 1975 bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften die Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellten Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären.

2. Für Landwirte ist in Polen erst zum 1. 1. 1978 ein eigenständiges Sozialleistungssystem eingeführt worden. Damit sind von einem Landwirt geltendgemachte vor dem 1. 1. 1978 zurückgelegte Versicherungszeiten vom deutschen Rentenversicherungsträger nicht zu berücksichtigen.

3. Vor dem 1. 1. 1978 in Polen zurückgelegte geltendgemachte Versicherungszeiten als Landwirt stehen nicht gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 FRG nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Versorgungssysteme, die in Polen erst 1977 errichtet wurden, zählen nicht zu den in dieser Vorschrift benannten Versicherungssystemen.

4. Eine Beschäftigung im Herkunftsland, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, ist nicht als Beschäftigungszeit gemäß § 16 FRG zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.8.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe einer Regelaltersrente.

Der im November 1949 in T/Oberschlesien/Polen als ältester Sohn des Landwirtes M geborene Kläger lebte bis zum 15.11.1974 in Polen. Dort war er von 1963 bis 1974 im landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters (etwa 21 Hektar Anbaufläche) tätig. Zunächst durchlief er eine Landwirtschaftslehre (2.11.1963-24.6.1965), anschließend war er bis zur Ausreise nach Deutschland - nur unterbrochen durch die Zeit des polnischen Militärdienstes vom 16.9.1969 bis zum 12.7.1971 - als Landwirt auf dem väterlichen Bauernhof tätig. Berufsbegleitend machte er (im Wege des Fernstudiums vom 1.2.1966 bis zum 15.9.1969 und vom 13.7.1971 bis zum 15.6.1973) am Landwirtschafts-Technikum in H den Abschluss zum Landwirtschafts-Techniker (in Deutschland anerkannt als "staatlich geprüfter Landwirt", Bescheinigung vom 18.5.1984). Beiträge an einen Träger der Rentenversicherung in Polen entrichtete er nicht. Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland war der Kläger zunächst arbeitslos und studierte anschließend in Aachen von 1976 bis 1993 zunächst Bauwesen und später Betriebswirtschaftslehre. In dieser Zeit war er außerdem - bei vollschichtiger Berufstätigkeit der Ehefrau - mit der Erziehung seiner 1981 und 1987 geborenen Kinder befasst. Für die Erziehung der 1987 geborenen Tochter T sind bei ihm Kindererziehungszeiten (KEZ) von September 1987 bis Juni 1989 als Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt. Von 2001 bis 2010 war er als Pflegeperson in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.

Der Kläger ist als Vertriebener anerkannt (Vertriebenenausweis A vom 27.11.1974).

Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte ihm ab dem 1.3.2015 Regelaltersrente in Höhe von (zu Beginn) 286,18 EUR brutto monatlich (Bescheide vom 1.9.2015 und 9.11.2015). Von den in Polen zurückgelegten Zeiten berücksichtigte sie nur den Militärdienst. Die Beschäftigungszeiten im väterlichen Betrieb vom 2.11.1963 bis 24.6.1965, 25.6.1965 bis 15.9.1969 und 13.7.1971 bis 15.11.1974 berücksichtigte sie nicht als Beitrags- oder Beschäftigungszeiten. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er möchte genauso wie Landwirte im Bundesgebiet behandelt werden, und bat um die Berücksichtigung seiner Arbeit als Landwirt in den Vertreibungsgebieten und um die volle Anrechnung der KEZ. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Während der Zeiten im väterlichen landwirtschaftlichen Betrieb habe der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der allgemeinen Altersversorgung der Arbeitnehmer nach polnischem Recht unterstanden. Beschäftigungszeiten in einer Landwirtschaft bei Familienmitgliedern, das heiße bei Familienangehörigen eines Landwirts, die vor dem 1.1.1983 liegen, seien nicht mit einer Beitragsentrichtung verbunden gewesen. Auch eine Anerkennung als Beschäftigungszeit scheide aus, da die Mitarbeit des Klägers im Familienbetrieb kein reguläres Beschäftigungsverhältnis dargestellt habe. Da die Vollendung des 17. Lebensjahres Voraussetzung für die Anrechnung von schulischen Ausbildungen als Anrechnungszeiten sei, könne auch die bis Juni 1965 durchlaufene Ausbildung nicht berücksichtigt werden (Widerspruchsbescheid vom 10.2.2016, zugegangen am 17.2.2016).

Mit seiner Klage vom 17.3.2016 hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt: Während seiner Beschäftigungszeit im väterlichen landwirtschaftlichen Betrieb seien alle damals üblichen Abgaben an die polnische landwirtschaftliche Versicherung und den poln...

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