Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. volljähriges Kind im Haushalt der Eltern. Nichtbestehen einer Einsatz- oder (gemischten) Bedarfsgemeinschaft. tatsächlicher Bedarf. Nichteinbeziehung in den Mietvertrag. kein Untermietvertrag. Verweisung auf rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsprechung des BSG (vgl Urteile vom 14.4.2011 - B 8 SO 18/09 R = SozR 4-3500 § 29 Nr 3 und vom 25.8.2011 - B 8 SO 29/10 R = FEVS 63, 442), wonach ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen für Unterkunft und Heizung einen entsprechenden Bedarf iS einer wirksamen (zivil-)rechtlichen Verpflichtung gegenüber Dritten jedenfalls dann voraussetzt, wenn der Hilfebegehrende mit nichthilfebedürftigen Personen in Haushaltsgemeinschaft lebt, ist (obwohl vom BSG in Fällen vorhandenen Wohneigentums entschieden) auch dann einschlägig, wenn diese Personen die Wohnung nur angemietet haben. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf scheidet also auch dann aus, wenn Eltern als (alleinige) Mieter der Wohnung Unterkunfts- und Heizkosten für ihr volljähriges, voll erwerbsgemindertes Kind zahlen und das Kind zivilrechtlich nicht zur Zahlung dieser Kosten (etwa als Mieter oder Untermieter) verpflichtet ist.
2. Ob die (etwaige zivil- oder insbesondere betreuungsrechtliche Notwendigkeiten beachtende) Begründung einer rechtlichen Verbindlichkeit des volljährigen, voll erwerbsgeminderten Kindes (etwa durch Einbeziehung in den Mietvertrag oder als Untermieter der Eltern) zur Auslösung entsprechender Ansprüche nach dem Vierten Kapitel des SGB 12 missbräuchlich und rechtlich unbeachtlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls. In der Regel dürfte allerdings eine Missbräuchlichkeit zu verneinen sein, wenn betroffene Eltern und Kinder - als Reaktion auf die genannte Rechtsprechung des BSG - wirtschaftliche Einschränkungen der Eltern durch entsprechende zivilrechtliche Gestaltungen zu vermeiden suchen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) für den Zeitraum September 2012 bis August 2013.
Die am 00.00.1992 geborene Klägerin ist das einzige Kind ihres 1960 geborenen Vaters sowie ihrer 1959 geborenen und am 00.00.2013 verstorbenen Mutter. Die Klägerin und ihr Vater (bis zu ihrem Tod auch ihre Mutter) leben gemeinsam in einer seit März 2000 angemieteten Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, einer kreisangehörigen Stadt im Kreis S. Im Mietvertrag sind als Mieter die "Familie L u. W I" bezeichnet. Auf Mieterseite wurde der Vertrag einzig von der Mutter der Klägerin unterzeichnet. Eine Änderung des Vertrages erfolgte in der Folgezeit nicht. Ein Untermietvertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern bzw. ihrem Vater wurde bislang nicht geschlossen. Beim zuständigen Amtsgericht wurde in diesem Zusammenhang zwischenzeitlich ein Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers gestellt, über den jedoch noch nicht entschieden ist.
Die Wohnung umfasst drei Wohnräume, eine Kammer, Küche, Diele, Bad mit Toilette sowie einen Balkon und einen Kellerraum. Es besteht die Möglichkeit der Mitbenutzung von Wasch- und Trockenräumen. Die Wohnfläche beläuft sich auf 73,8 m². Gemeinsam mit der Wohnung wurde eine Garage angemietet. Die Mietkosten beliefen sich in der Zeit seit dem 01.04.2012 auf 610,18 EUR (398,81 EUR Grundmiete, 101,93 EUR Neben- und 78,76 EUR Heizkostenvorauszahlung zzgl. 30,68 EUR für die Anmietung der Garage). Zum 01.04.2013 erhöhten sie sich auf 621,57 EUR (Erhöhung der Grundmiete um 11,39 EUR). Die Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 11.03.2013 weist für den Abrechnungszeitraum 2012 ein Guthaben von 248,83 EUR aus; dieser Betrag ging am 13.03.2013 auf dem Girokonto des Vaters der Klägerin ein.
Die Klägerin ist schwerstbehindert. Sie leidet unter einer myoklonischen Epilepsie mit Blinzelabsencen bei Verdacht auf Pseudo-Lennox-Syndrom, globaler Entwicklungsstörung mit Störungen der Fein- und Grobmotorik im Rahmen einer zentralmotorischen Koordinationsstörung, Störungen des Sozialverhaltens und der Sprachentwicklung sowie einer geistigen Behinderung (bei einem Intelligenzquotienten von 60). Das Versorgungsamt erkannte ihr ab November 1999 einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "H" und "B" zu.
Mit Wirkung zum Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin wurden ihre Mutter zur Betreuerin und ihr Vater zum Ersatzbetreuer bestellt (Amtsgericht S, Beschluss vom 09.03.2010 - 000). Nach dem Tod der Mutter bestellte das Amtsgericht ihren Vater zum alleinigen Betreuer (Beschluss vom 28.05.2013 - 000). Der Aufgaben...