Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. stationäre Pflege. Vermögenseinsatz. Härtefall. Bestattungsvorsorgevermögen
Orientierungssatz
1. Dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, ist Rechnung zu tragen und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen anzusehen (vgl BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R = BSGE 100, 131 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3).
2. Ein Betrag in Höhe von 5.000 Euro ist grundsätzlich als angemessen anzusehen (vgl hierzu OVG Münster vom 16.11.2009 - 12 A 1363/09 = OVGE MüLü 53, 22 für einen Betrag in Höhe von 6.000 Euro).
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.03.2019 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2017 verpflichtet, in den Monaten Juli 2016, August 2016 und September 2016 für den verstorbenen E. B. Hilfe zur Pflege ohne Berücksichtigung des Bestattungsvorsorgevermögens iHv 5.000 EUR nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten der Kläger und ihres Rechtsvorgängers in beiden Rechtszügen zu 3/5 zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind die Erben des am 00.10.2019 verstorbenen, seit 2014 verwitweten ursprünglichen Klägers E. B. (E.B.) und begehren als dessen Rechtsnachfolger Hilfe zur Pflege in Form der Kostenübernahme für eine stationäre Versorgung von E.B. Umstritten ist zwischen den Beteiligten der Einsatz eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvermögens iHv 5.000 EUR als anspruchsausschließendes Vermögen.
Der 1931 geborene E.B. lebte seit 2014 bis zu seinem Tod im Altenwohnheim M Stift in F (Heimvertrag vom 27.02.2014). Im Mai 2016 war bei E.B. die Pflegstufe 2 festgestellt worden. E.B. verfügte im streitigen Zeitraum über Renteneinkommen iHv monatlich zuletzt 844,33 EUR netto. Die jetzigen Kläger sind seine durch einen Erbvertrag eingesetzten Erben (Erbvertrag vom 19.03.1984). Die Klägerin zu 2) C hatte im Februar 2017 gegenüber der Beigeladenen ein Schuldanerkenntnis über 5.000 EUR für von E.B. nicht geleistete Heimpflegekosten abgegeben. Die Klägerin zu 2) fordert von den anderen Klägern Ausgleich für diese Verbindlichkeit. Eine Zahlung aufgrund des Schuldanerkenntnisses ist bislang nicht erfolgt. Mit Schriftsatz vom 17.03.2020 haben die Kläger den Rechtsstreit des verstorbenen E.B. aufgenommen.
Für das M Stift bestehen ein Versorgungsvertrag und eine Vergütungsvereinbarung. Ab April 2016 kostete der Heimplatz insgesamt 4.338,50 EUR/Monat. Heimträger ist die Beigeladene.
E.B. war ursprünglich zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer eines Hausgrundstücks in F. Mit notariellem Vertrag vom 04.05.1998 übertrugen die Eheleute das Eigentum dem Kläger zu 1). Als "Gegenleistung" räumte der Kläger zu 1) ein dingliches persönliches Wohnrecht gem. § 1093 BGB ein, das bis zum Tode des Längstlebenden gelten sollte. Der Kläger zu 1) verpflichtete sich gegenüber seinen Eltern zur Leistung von Verpflegung und Versorgung bei Krankheit und Gebrechlichkeit. Das Wohnrecht sollte "ruhen", sofern die Eltern sich nicht in ihrer Wohnung aufhalten, ein Geldersatz stand den Eltern nur zu, wenn der Aufenthalt in den dem Wohnrecht unterliegenden Räumen für die Eltern aus Gründen, die in der Person des Klägers zu 1) liegen, unzumutbar war. Unter der Überschrift "Beerdigung" vereinbarten die Parteien: "Nach dem Tode der Eltern trägt der Übertragungsnehmer die Kosten der Bestattung, einschließlich all dessen, was auch in kirchlicher Hinsicht für ein Grabmal und eine angemessene Grabpflege in der Zukunft und auf die Dauer des Bestehens des Grabes erforderlich ist. Dafür stehen dem Übertragungsnehmer auch die Sterbegelder pp zu."
E.B. hatte zunächst eine kapitalbildende Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert iHv insgesamt 4.876,58 EUR, die zugunsten des "Bestattungsinstituts R" abgetreten war. Diese löste er im September 2015 auf. Am 20.05.2015 schloss er einen "Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag" mit der "Z Bestattungsvorsorge Treuhand AG" ab. Die Klägerin zu 2) zahlte 5.000 EUR an diese Gesellschaft, die aus der aufgelösten Lebensversicherung stammten. Der Treunehmer erteilte E.B. eine Treuhand-Police über 5.000 EUR, treuhänderisch auszuzahlen an das Bestattungsinstitut A KG. Außerdem schloss E.B. am 01.04.2015 einen "Bestattungsvorsorgevertrag" mit dem Bestattungsunternehmen A ab.
Bereits 2015 hatte E.B. Pflegewohngeld nach dem APG NRW beantragt. Er hatte Vermögen iHv ca. 16.000 EUR angegeben. Der Beklagte hatte zunächst auch geprüft, ob der Ablösebetrag des dinglichen Wohnrechts nach Verkauf des Hauses als Vermögen anzurechnen sei, dies aufgrund der o.a. Klausel in § 2 des Übertragungsvertrags dann aber im Ergebnis verneint. Der Beklagte hatte die Klägerin zu 2) als damalige Vertreterin des E.B. aber darauf...