Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Studenten. Auslaufen der Versicherungspflicht. Europarechtskonformität und Verfassungsmäßigkeit der Alters- und Studiendauergrenze
Orientierungssatz
1. Studenten sind grundsätzlich nur bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters und bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres nach § 5 Abs 1 Nr 9 SGB 5 krankenversicherungspflichtig.
2. Besondere familiäre oder anerkennenswerte persönliche Gründe können das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigen. Dies setzt Kausalität voraus. Entscheidend ist dabei die Dauer der Hinderungszeit und ihr Verhältnis zur Dauer etwaiger Nichthinderungszeiten. Ist die späte Aufnahme eines Studiums ausschließlich durch die persönliche Lebensplanung bedingt gewesen, so handelt es dabei nicht um einen die Ausnahmeregelung des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB 5 rechtfertigenden Grund.
3. Die Altersbegrenzung des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB 5 verstößt weder gegen Gemeinschaftsrecht noch gegen Art 3 Abs 1 GG. Die für die Einführung der Altersgrenze bzw der Höchstgrenze der Studiendauer für Studenten sprechenden Sachgründe haben ein die Begrenzung rechtfertigendes Gewicht.
4. Aktenzeichen beim BSG: B 12 KR 59/10 B
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2009 insoweit aufgehoben, als die Beklagte zugleich über die Versicherung des Klägers in der gesetzlichen Pflegeversicherung entschieden hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten kranken- und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Er strebt die Mitgliedschaft in der kostengünstigeren studentischen Kranken- und Pflegeversicherung (KV/PV) an.
Der Kläger wurde 1964 geboren. Nach eigenem Bekunden stellte sich sein schulischer, beruflicher und sonstiger Werdegang wie folgt dar: Nach der Grundschule besuchte er zunächst ein Gymnasium, wechselte dann ein Jahr später auf eine Realschule, die er 1982 mit qualifiziertem Abschluss verließ. Eine Ausbildung zum biologisch-technischen Assistenten (1982 bis 1984) beendete er nicht. Nach erfolgreichem Abschluss einer Schlosserlehre (1984 bis 1986) und einer sich daran anschließenden halbjährigen Berufstätigkeit als Geselle, die er aus gesundheitlichen Gründen aufgab, war der Kläger in der Folgezeit drei Jahre als Taxifahrer tätig, und zwar zunächst in abhängiger Beschäftigung, im letzten Jahr als Selbständiger. Eine parallel dazu absolvierte Ausbildung zum Rettungssanitäter führte ab dem Jahre 1990 zu einer Tätigkeit als Aushilfskraft in der Pflege. Von der ihm angebotenen Möglichkeit, eine Ausbildung zum Krankenpfleger abzuleisten, machte der Kläger von 1991 bis 1994 Gebrauch. Anschließend arbeitete er vollschichtig in diesem Beruf. 1994 wurde sein Sohn UG geboren. Im Sommer 1995 trennte sich der Kläger von dessen Mutter. Die eigentlich beabsichtigte Weiterbildung zum Intensivkrankenpfleger scheiterte in zwei aufeinander folgenden Jahren an fehlenden Ausbildungskapazitäten. Deshalb entschloss sich der Kläger im Jahre 1996, die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Bis Dezember 1999 besuchte er ein Abendgymnasium und arbeitete tagsüber als Krankenpfleger. Bereits vor dem erfolgreichen Schulabschluss im Sommer 1999 - zum Wintersemester 1999/2000 - schrieb sich der Kläger an einer Fachhochschule als Student ein, und zwar in der Fachrichtung Bauingenieurwesen mit der Zielrichtung Architektur. Die Aufnahme des Studiums bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgte, um die Förderungsvoraussetzungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) zu erfüllen. Zum 01.01.1999 reduzierte der Kläger dementsprechend seine Arbeitszeit als Krankenpfleger. Es erfolgte zum Wintersemester 2000/2001 ein Fachrichtungswechsel zum Studium der Germanistik mit dem Ziel einer späteren journalistischen Tätigkeit, das der Kläger nach drei Semestern abbrach. Da er in den Fachbereich Biologie wechseln wollte, dieses Studium aber nur zu einem Wintersemester aufgenommen werden konnte, exmatrikulierte sich der Kläger für ein Semester und nahm dann zum Wintersemester 2002/2003 das Studium im Fach Biologie auf, das er bis heute fortsetzt und voraussichtlich im März 2011 beenden wird. Einen Wehr- oder Zivildienst musste der Kläger nicht ableisten.
Ursprünglich war der Kläger bei der "Neue bkk" kranken- und pflegeversichert, und zwar zunächst als Student. Als nach zwei Jahren auffiel, dass er die Altersgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Vollendung des dreißigsten Lebensjahres - überschritten hatte, war er in der Folgezeit freiwillig krankenversichert. Das auf Fortführung der studentischen KV/PV vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg geführte diesbezügliche Klageverfahren endete für den Kläger ohne Erfolg; Berufung legte er nicht ein. Zum 01.01.2008 wählte er vielmehr die Beklagte als neue Kranken- bzw. Pflegekasse. Mit Beitragsbescheid vom 06.12.2007 teilte die Beklagte unter der Bezeichnung "BIG Gesundheit - Die Direktk...