Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf

 

Orientierungssatz

1. Den Prüfgremien kann nach § 106 Abs. 2 SGB 5 die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden. Dies gilt ebenso für die Verordnung solcher Gegenstände oder Arzneimittel, für die zwar eine Leistungspflicht der Krankenkassen nach den Bestimmungen des SGB 5 besteht, die aber zulässigerweise nicht als Sprechstundenbedarf (SSB) verordnet werden dürfen.

2. Haben die Parteien der SSB-Vereinbarung einen abschließenden Katalog der verordnungsfähigen Mittel aufgestellt, so ist dieser mangels einer Regelungslücke einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich.

3. Medikamentenverordnung hat grundsätzlich patientenbezogen zu erfolgen. Hiervon ausgehend dürfen Artikel des SSB nur verordnet werden, deren Anwendung ad hoc erforderlich ist. Das ist dann der Fall, wenn ein Notfall eingetreten ist, Gefahr für Leib und Leben besteht, unzumutbare Schmerzen zu bekämpfen sind oder die Einhaltung des regulären Beschaffungsweges durch Einzelverordnung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.

4. Eine unzulässige Verordnung von SSB führt zum Entstehen eines verschuldensunabhängigen Regressanspruchs der Krankenkasse.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.03.2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine fachärztlich tätige internistische Berufsausübungsgemeinschaft, die in X zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und eine hämatologisch-onkologische Schwerpunktpraxis betreibt, wendet sich gegen einen Regress wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB).

Im Quartal II/2005 verordnete sie u.a. vier Durchstechflaschen N2 Zometa 4 mg/5 ml als SSB. Daraufhin stellte die Beigeladene zu 8) unter dem 29.06.2006 (Eingang beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (Prüfungsausschuss)) einen Prüfantrag wegen unzulässiger Verordnung von SSB. Dazu führte die Klägerin aus, dass das Bisphosphonat Zoledronat (Zometa) als Notfallmedikament in einer onkologischen Praxis vorgehalten werden müsse; bei Patienten mit einer noch asymptomatischen, aber erheblichen Hyperkalzämie sei eine ambulante Infusion von Zometa indiziert und geeignet, eine Krankenhausbehandlung zu vermeiden.

Der Prüfungsausschuss lehnte den Antrag der Beigeladenen zu 8) mit der Begründung ab, dass Zometa unter Ziffer (Ziff.) IV.7 der SSB-Vereinbarung - Arzneimittel für Notfälle und zur Sofortanwendung - als Notfallmittel zu subsumieren sei (Bescheid vom 13.11.2006).

Mit ihrem Widerspruch machte die Beigeladene zu 8) geltend, Zometa werde nach der Lauer-Taxe weder als Notfallmedikament noch zur Sofortanwendung ausgewiesen. Die Indikation beziehe sich auf die Prävention skelettbezogener Komplikationen bei Patienten mit fortgeschrittenen, auf das Skelett ausgedehnten Tumorerkrankungen.

Hierzu wies die Klägerin darauf hin, dass in dem Widerspruch der Beigeladenen zu 8) die Behandlungsindikation Hyperkalzämie fehle. Bei der akuten Hyperkalzämie handele es sich um einen onkologischen Notfall. Sofern keine akute Bewusstseinstrübung oder Verschlechterung des Allgemeinzustandes bestehe, sei eine ambulante Behandlung unter Notfallbedingungen möglich. Zometa werde dabei als Kurzinfusion verabreicht.

Mit Bescheid vom 04.06.2007 setzte der Beklagte gegen die Klägerin einen Regress wegen unzulässigen SSB von Zometa 4 mg Ampullen i.H. der Nettoverordnungskosten von 1.206,05 EUR für das Quartal II/2005 fest. Bei der Anforderung von SSB seien nur die unter Ziff. IV SSB-Vereinbarung aufgeführten Artikel verordnungsfähig. Zometa werde im Rahmen der Prävention eingesetzt und habe keine akute, unmittelbare Wirkung im Notfall. Das Medikament könne daher weder unter Ziff. IV.7 noch unter Ziff. IV.5 - Mittel zur Diagnostik bzw. Akuttherapie - subsumiert werden.

Mit ihrer Klage vom 04.07.2007 hat die Klägerin vorgetragen, der Pharmaindex "Gelbe Liste", der Arzneiverordnungsreport 2004 und das Kompendium Internistische Onkologie von Schmoll et al. belegten, dass es sich bei der tumorinduzierten Hyperkalzämie um einen onkologischen Notfall handele, so dass die sofortige Verabreichung von Zometa als Kurzinfusion eine Notfallbehandlung darstelle. Ohne eine solche Maßnahme wäre die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich gewesen, in dem ebenfalls umgehend eine entsprechende Infusion verabreicht worden wäre. Unerheblich sei, dass Bisphosphonate erst mit einer zeitlichen Verzögerung von zwei bis vier Tagen wirkten, da eine spätere Verabreichung dieser Mittel zu einer weiteren Verzögerung der Wirkung und bei einer akuten Hyperkalzämie zu schweren bzw. lebensbedrohlichen Folgen führen würde. Deshalb reiche es nicht aus, Bisphosphonate zu bestellen und am Folgetag zu verabreichen. Die Gabe von Calcitonin, dessen Wirkung erst sehr viel sp...

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