Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf

 

Orientierungssatz

1. Den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung kann nach § 106 Abs. 2 S. 1 SGB 5 die Zuständigkeit für Regresse wegen eines unzulässig verordneten Sprechstundenbedarfs (SSB) übertragen werden, vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 - B 6 KA 41/03.

2. Bei dem Sprechstundenbedarf muss es sich um einen Artikel handeln, der bei mehr als einem Berechtigten bei vertragsärztlicher Behandlung angewendet wird oder der zur Sofortbehandlung erforderlich ist. Verordnungsfähig sind nur die unter Ziff. 4 der Vereinbarung aufgeführten Mittel.

3. In den Listen der Ziff. 4. 1 - 6 SSB-Vereinbarung ist das Hilfsmittel bei Augenoperationen DuoVisc nicht aufgeführt.

4. Bei DuoVisc handelt es sich auch nicht um ein Mittel, das bei mehr als einem Berechtigten angewendet wird. Es wird als Einzelgebinde vertrieben und ist als solches für nur einen einzelnen Kranken bestimmt.

5. Die fehlerhafte SSB-Verordnung eines Vertragsarztes löst eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht aus. Der auf die fehlende Verordnungsfähigkeit eines Mittels gestützte SSB-Regress ist ein Schadensersatz- und kein Bereicherungsanspruch. Bei dessen Höhe kommt infolgedessen eine Berücksichtigung gfs. ersparter Aufwendungen als schadensmindernder Vorteil nicht in Betracht, vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 6 KA 26/10.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.06.2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Regress wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) im Quartal I/2007.

Der Kläger ist als Facharzt für Augenheilkunde in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führte ambulante Katarakt-Operationen durch und nahm bis zum Ende des Quartals I/2007 an den Katarakt-Strukturverträgen der Innungs- und Betriebskrankenkassen (IKK/BKK) teil. Im Quartal I/2007 verordnete er u.a. 20 x DuoVisc Einmalspritzen (dispersives und kohäsives System; Wirkstoff Hyaluronsäure) als SSB.

Auf den Prüfantrag der Krankenkassen vom 17.03.2008 (eingegangen am 27.03.2008) setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (Prüfungsstelle) mit Bescheid vom 08.07.2008 (Beschluss vom 11.12.2007) einen Regress i.H.v. 3.584,30 EUR netto wegen der Verordnung von DuoVisc über SSB fest.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, DuoVisc sei ein Gleitmittel, das bei Kataraktoperationen bei Bedarf eingesetzt werde. Bei einer Operation würden im Schnitt zwei Ampullen Viskoelastika, im Einzelfall aber auch bis zu zehn Ampullen verbraucht. Es sei daher vor einer Operation nicht absehbar, wie viele Ampullen benötigt würden. Deshalb komme eine Einzelverordnung nicht in Betracht. Die DuoVisc-Einmalpritzen würden in Großpackungen bezogen und seien zur Sofortbehandlung erforderlich.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.11.2008 (Beschluss vom 14.08.2008) zurück. Bei dem auf dem Wirkstoff Hyaluronsäure basierenden DuoVisc handele es sich um ein chirurgisches Hilfsmittel für Eingriffe am vorderen Augenabschnitt einschließlich Katarakt-Extraktion und Intraokularlinsen-Implantation. Als SSB dürften nur die unter Ziff. IV. SSB-Vereinbarung aufgeführten Artikel verordnet werden. DuoVisc sei dort nicht gelistet und könne auch nicht unter Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung (Mittel zur Diagnostik oder Soforttherapie) bzw. Ziff. IV.7 SSB-Vereinbarung (Arzneimittel zur Sofortanwendung im Notfall) subsumiert werden. DuoVisc werde überdies nicht in der Sprechstunde, sondern bei planbaren Augenoperationen verwendet, so dass es auch nicht als Gel unter Ziff. IV 6 SSB-Vereinbarung falle.

Gegen den am 25.11.2008 per Übergabe-Einschreiben gegen Rückschein zugestellten Bescheid hat der Kläger am Montag, dem 29.12.2008 per Fax Klage erhoben und vorgetragen: DuoVisc sei ein Gleitmittel, das bei Bedarf im Rahmen von Kataraktoperationen eingesetzt werde. Vor einer Operation sei nicht absehbar, wie viele Ampullen benötigt würden, so dass eine Einzelverordnung zu Lasten des Patienten nicht in Betracht komme. Im Quartal I/2007 habe er 39 Patienten intraokular operiert. In zehn Fällen seien Komplikationen oder unerwartete Verläufe aufgetreten, die eine zusätzliche Verordnung von DuoVisC erforderlich gemacht hätten. Eine Einzelverordnung sei zudem organisatorisch unmöglich, unwirtschaftlich und medizinisch unverantwortlich. Es bestehe das Risiko, dass entweder bei der Operation zu wenige Spritzen vorrätig seien oder dass zu viele Mittel verordnet und damit unwirtschaftliche Verordnungskosten zu Lasten der Krankenkasse veranlasst würden. Im Übrigen müssten Viskoelastika bis zu ihrer Verwendung ordnungsgemäß gekühlt werden; dies könne bei einer Verordnung zu Lasten des Patienten nicht sichergestellt werden. DuoVisc sei ein in Großpackungen bezogenes chirurgisches Hilfsmittel, das zur Sofortbehandlung erforderlich...

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