Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. zu erwartende Leistungen des Aufenthaltslandes. überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs auf spanische Sozialhilfe nach mehr als fünfjährigem Aufenthalt. Darlegungs- und Beweislast. kein Wahlrecht. keine Aufstockung der spanischen durch die deutsche Sozialhilfe. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen spanischer Sozialhilfe für in Spanien lebende Deutsche.
2. Dem Auslandsdeutschen steht kein Wahlrecht zwischen einer Inanspruchnahme von spanischer Sozialhilfe und von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland (§ 24 SGB XII) zu. Hat ein in Spanien lebender Deutscher dortige Sozialhilfe i.S.v. § 24 Abs. 2 SGB XII zu erwarten, so ist er darauf verwiesen.
3. “Zu erwarten„ i.S.v. § 24 Abs. 2 SGB XII sind Leistungen des Aufenthaltslandes, wenn sie überwiegend wahrscheinlich sind.
4. Aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums folgt kein Anspruch auf deutsche Sozialhilfeleistungen oberhalb der Bemessungsgrenzen für spanische Sozialhilfe. Der ggf. anspruchsverschaffende Geltungsbereich dieses Grundrechts ist räumlich auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit auf das Inland beschränkt. Hält sich ein Deutscher aufgrund eigener Lebensentscheidung in Spanien auf, so ist er deshalb auf die dortigen Fürsorgeverhältnisse verwiesen (§ 24 Abs. 3 SGB XII).
5. Hat die Behörde grundsätzlich die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X zu beweisen, so trägt dennoch der Bürger die Beweislast für Vorgänge, welche in seiner persönlichen Sphäre bzw. in seiner Verantwortungssphäre liegen. Letzteres gilt insbesondere auch für Einzelheiten zu Behördenkontakten von Auslandsdeutschen im Aufenthaltsland. Fehlen insoweit konkrete Angaben des Betroffenen, ist das Gericht nicht gehalten, ins Blaue hinein zu ermitteln, bei welchen ausländischen Behörden dieser welche Leistungen mit welchem Ergebnis beantragt haben mag.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.07.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Einstellung der Leistungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII zum 01.11.2010.
Der 1947 in E geborene Kläger zu 1 und die 1973 geborene Klägerin zu 2 sind Eheleute. Sie lebten mit ihren gemeinsamen Töchtern, der im Oktober 1992 geborenen Klägerin zu 3 sowie der im August 2002 geborenen Klägerin zu 4, seit dem 00.07.2005 in Spanien. Dort hielten sie sich zunächst in Santa F (= Santa F del Rio, Ibiza; Katalonisch: Santa F des Riu) auf. Die Klägerin zu 3 ist am 04.11.2010 aus der elterlichen Wohnung ausgezogen und nach Deutschland zurückgekehrt. Die Kläger zu 1, 2 und 4 befanden sich vom 19.08. bis zum 25.08.2011 vorübergehend in Deutschland, nachdem sie ihre Unterkunft in Spanien aus finanziellen Gründen verlassen mussten und ihnen eine Zwangsausweisung drohte. Zuvor hatten sie am 16.08.2011 bei dem Deutschen Generalkonsulat in Barcelona erneut Sozialhilfe beantragt. Anlässlich des Aufenthalts in Deutschland gewährte die Stadt E den Klägern zu 1, 2 und 4 bzw. der Klägerin zu 2 auf deren Antrag vom 22.08.2011 für die Zeit vom 22. bis zum 31.08.2011 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Bescheid vom 24.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2012). Gegenüber dem örtlichen Sozialhilfeträger hatte der Kläger zu 1 anlässlich des dortigen Antrags auf Sozialhilfe unter dem 22.08.2011 zuvor erklärt, er werde mit den Klägerinnen zu 2 und 4 nach Ibiza zurückkehren, sofern ersterer in dem am Folgetag (23.08.2011) stattfindenden Gerichtstermin vor dem Landessozialgericht eine Rentennachzahlung zugesprochen werde. Für die Rückkehr nach Spanien benötige er ggf. ein Darlehen i.H.v. 6.000,00 EUR. Ähnlich hatte der Kläger zu 1 den Beklagten bereits im Vorfeld des Aufenthalts in Deutschland am 12.08.2011 um ein entsprechendes Darlehen gebeten, welches er zur Anmietung einer neuen Wohnung in Spanien benötige. Nachdem der Klägerin zu 2 aufgrund eines Anerkenntnisses der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland eine (im Oktober 2011 ausgezahlte) Rentennachzahlung i.H.v. ca. 13.000,00 EUR (hiervon wurden wegen eines Erstattungsanspruchs ca. 9.900,00 EUR einbehalten) zuerkannt worden war, kehrten die Kläger zu 1, 2 und 4 mit Hilfe eines Vorschusses ihres damaligen Bevollmächtigten nach Ibiza zurück. Dort bewohnten sie zunächst diverse Ferienwohnungen, bevor sie im Oktober 2011 nach G (Provinz Malaga, Andalusien) verzogen.
Die Klägerin zu 2 leidet an Epilepsie mit täglich mehrfachen Grand-Mal Anfällen sowie Absencen, einem Gehirntumor und psychischen Störungen. Bei ihr sind seit August 1995 seitens des Versorgungsamts N ein Grad der Behinderu...