Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress wegen Verordnung eines unzulässigen Sprechstundenbedarfs

 

Orientierungssatz

1. Den Prüfgremien nach § 106 Abs. 1 SGB 5 kann die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Verordnung, auch im Wege des Sprechstundenbedarfs (SSB), durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden.

2. Haben die Parteien der SSB-Vereinbarung einen abschließenden Katalog der verordnungsfähigen Mittel aufgestellt, so ist dieser mangels einer Regelungslücke einer erweiternden Auslegung oder einer Rechtsfortbildung nicht zugänglich.

3. Bei der Anforderung von SSB sind nur die in der Vereinbarung aufgeführten Mittel verordnungsfähig. Ein ersatzweiser Bezug anderer Mittel oder Artikel ist nicht zulässig.

4. Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung darf aus Vertrauensschutzgründen dann nicht erfolgen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung über einen längeren Zeitraum eine unzulässige Verordnung wissentlich geduldet und der Vertragsarzt im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin einen unzulässigen Artikel verordnet hat.

5. Auch eine unklare Rechtslage führt nicht zum Vertrauensschutz. Die unzulässige Verordnung von SSB führt zum Entstehen eines verschuldensunabhängigen Regressanspruchs.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.01.2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die aus fünf Fachärzten für Nuklearmedizin bestehende Klägerin wendet sich gegen einen Regress wegen Verordnung von unzulässigem Sprechstundenbedarf (SSB) in den Quartalen 3/2001 bis 1/2002.

Mit Schreiben vom 16.07.2002, eingegangen beim Prüfungsausschuss am 25.09.2002, beantragte die Beigeladene zu 9) die Prüfung der Verordnungsweise der Klägerin im Quartal 3/2001 mit der Begründung, dass die Verordnung von Fingerschienen als SSB unzulässig sei. Den Regressbetrag gab sie mit 696,00 DM (= 345,18 Euro) netto an; die entsprechende Verordnung (neuzeitliche Fingerschienen) fügte sie dem Antrag (in Ablichtung) bei. Mit weiterem Schreiben vom 31.10.2002, eingegangen beim Prüfungsausschuss am 20.12.2002, beantragte die Beigeladene zu 9) mit gleicher Begründung die Prüfung der Verordnungsweise der Klägerin im Quartal 4/2001; den Regressbetrag gab sie mit 67,80 DM (= 34,67 Euro) netto an; die entsprechende Verordnung (neuzeitliche Fingerschienen) fügte sie dem Antrag (in Ablichtung) bei. Mit Schreiben vom 06.03.2003, eingegangen beim Prüfungsausschuss am 26.03.2003, beantragte die Beigeladene zu 9) die Prüfung der Verordnungsweise der Klägerin im Quartal 1/2002 mit der Begründung, dass die Verordnung von Mono Embolex als SSB unzulässig sei. Den Regressbetrag gab sie mit 4.007,88 Euro netto an; die entsprechende Verordnung fügte sie dem Antrag (in Ablichtung) bei. Mit abgelichtet war eine weitere Verordnung u.a. über "12 neuzeitliche Fingerschienen" für 414,22 Euro.

Dieser Antrag wurde der Klägerin - ebenso wie die zuvor gestellten Anträge - zugeleitet, die daraufhin (Schreiben vom 22.07.2003) mitteilte, auch für das Quartal 1/2002 beziehe sie sich auf ihre vorangegangene Begründung, weshalb die von ihr verordneten neuzeitlichen Fingerschienen als SSB zu vergüten seien.

Mit unter dem 31.07.2003 datierendem Schreiben, das den Eingangsstempel des Prüfungsausschusses vom 26.03.2003 trägt, beantragte die Beigeladene zu 9) - erneut - die Prüfung der Verordnungsweise der Klägerin im Quartal 1/2002 nunmehr mit der Begründung, dass die Verordnung von neuzeitlichen Fingerschienen als SSB unzulässig sei. Auf dem Schreiben ist u.a. aufgeführt "Korrekturantrag v. 06.03.03".

Die Klägerin nahm zu den Anträgen Stellung: Bei den benutzten Fingerschienen handele es sich um Artikel, die ihrer Art nach bei mehreren Patienten auch an verschiedenen Fingergelenken einsetzbar seien. Der Gebrauch entspreche den explizit in der SSB-Vereinbarung aufgeführten erstattungsfähigen Cramerschienen. Diese gebe es allerdings nicht in schmalen Breiten, so dass damit die Ruhigstellung eines einzelnen Fingers oder sogar nur eines Fingergelenks, wie dies bei den in ihrer Praxis durchgeführten Radiosynoviorthesen geboten sei, nicht erfolgen könne.

Der Prüfungsausschuss setzte mit (zwei) Bescheiden vom 06.01.2004 Regresse in Höhe der Netto-Verordnungskosten von insgesamt 794,07 Euro mit der Begründung fest, dass neuzeitliche Fingerschienen als Sachkosten auf den Abrechnungsscheinen des jeweiligen Patienten abzurechnen seien.

Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin u.a. geltend, sie habe sich seit Inkrafttreten der neuen SSB-Vereinbarung um Vorabklärung der Abrechnungsmöglichkeiten ihrer Materialien bemüht. In der Sitzung vor dem Prüfungsausschuss vom 15.05.2003 sei ihr mündlich zugesichert worden, dass sie neuzeitliche Fingerschienen weiterhin als SSB abrechnen könne, ohne Regresse befürchten zu müssen. Sie legte dazu das Schreiben des Prüfungsausschusses vom 04.06.2003 vor, nach dem die Beigeladenen zu 9) in der Sitzung vom...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge