Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung in der Kriegsopferversorgung. Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes
Orientierungssatz
1. Die Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Aufgabenbereich der Kriegsopferversorgung ist durch Art. 84 GG gedeckt. Sie verstößt nicht gegen die zeitliche Übergangsregelung des Art. 125 b Abs. 2 GG. Ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit führt im Streitverfahren zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes. Die Klage ist allein gegen den im Lauf des Verfahrens zuständig gewordenen Träger zurichten.
2. Die Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung durch den Landesgesetzgeber verstößt nicht gegen § 71 Abs. 5 SGG.
Normenkette
GG Art. 84, 125b Abs. 2; SGG § 71 Abs. 5
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, nach welcher Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) dem Kläger Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren ist.
Der 1930 geborene Kläger wurde nach Kriegsende im August 1945 in der Nähe von Leipzig von sowjetischen Soldaten in Gewahrsam genommen, nach Sibirien verschleppt und als Zwangsarbeiter im Wald und in einem Kupferbergwerk eingesetzt. Später gelangte er nach Kasachstan und Estland. Im September 1975 kehrte er über das Grenzdurchgangslager Friedland in die Bundesrepublik zurück. In der Bescheinigung des Oberkreisdirektors des Rhein-Sieg-Kreises vom 10.11.1976 wird die Zeit von August 1945 bis September 1975 als Zeit des politischen Gewahrsams i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Häftlingshilfegesetz (HHG) mit Zwangsarbeitslager und Zwangsaufenthalt im Uralgebiet, in Kasachstan und zuletzt in Estland bestätigt.
Das Versorgungsamt L erkannte mit Bescheiden vom 18.04.1989, 27.09.1990, 25.10.1993 und zuletzt vom 26.04.1999 als Schädigungsfolgen mit einer MdE um 80 v.H. an:
a) geringfügige silikotische Einlagerungen (hervorgerufen durch schädigende Ereignisse iSd § 1 Abs. 1 (BVG) sowie
b) Verkürzung und Verbiegung des rechten Oberschenkels nach in Fehlstellung verheiltem Bruch mit Verschleiß und Bewegungseinschränkung im rechten Hüft-, Knie und Sprunggelenk, Rippenbuckel links (hervorgerufen durch schädigende Ereignisse iSd § 4 Abs. 1 HHG).
Der Kläger, dessen Grad der Behinderung (GdB) nach dem SGB IX mit 100 festgestellt ist, beantragte am 30.10.2003 Versorgung nach einer höheren MdE und machte geltend, sein Kriegsleiden habe sich wesentlich verschlechtert. Die Silikose habe bei ihm Lungenkrebs verursacht, was als Schädigungsfolge zu berücksichtigen sei. Durch die Fehlbelastung des verkürzten linken Beines und durch den Verschleiß der Hüft-, Knie-, und Sprunggelenke hätten sich Folgeschäden eingestellt. Die Fehlstellung des Skelettes sowie die Rippenbuckelbildung führten bei ihm zu immer größeren, unerträglichen Schmerzen.
Nach Beiziehung und Auswertung ärztlicher Unterlagen u. a. über eine stationäre Badekur in Bad P im September und Oktober 2003 lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 01.12.2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 04.04.2005, die Gewährung höherer Versorgung ab. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten. Insbesondere bestehe kein sicherer radiologischer Hinweis auf eine Silikose. Der Kupferbergbau bringe keine spezifischen Risiken für die Atmungsorgane mit sich und könne kein schweres Bronchialleiden hervorrufen. Veränderungen diesbezüglich seien nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich nicht wesentlich verschlimmert.
Der Kläger hat am 19.04.2005 bei dem Sozialgericht (SG) Köln rechtzeitig Klage erhoben und sein Entschädigungsbegehren weiter verfolgt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei ihm volle Versorgung zu zahlen.
Der Beklagte hat demgegenüber an der Feststellung festgehalten, die Schädigungsfolgen seien mit einer MdE um 80 v.H. zutreffend bewertet.
Das SG hat zunächst die Akten der vom Kläger gegen die Bergbau Berufsgenossenschaft in Bonn (Bergbau BG) wegen der Anerkennung der Berufskrankheit Silikose mit Bronchialkarzinom geführten Klage - S 2 (15) Kn 45/04 U - beigezogen. Der in diesem Verfahren gehörte Internist und Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie, Dr. H, L, hat keine Zeichen für eine Quarzstaubeinlagerung in der Lunge festgestellt. Eine Quarzstaublungenerkrankung mit einer aktiven Lungentuberkulose bestehe ebenso wenig wie ein Lungenemphysem und eine obstruktive Bronchitis. Folgen einer Silikose/Tuberkulose könnten nicht festgestellt werden. Der Kläger hat dem Ergebnis der Beweisaufnahme Rechnung getragen und die Klage gegen die Bergbau BG zurückgenommen.
Das SG hat gemäß § 106 SGG weiter Beweis erhoben worden durch Einholung orthopädischer Gutachtens von Dr. W, S (Gutachten vom 23.05.2006) und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. C, I (Gutachten...