Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. ausgelagerte Praxisräume iSd § 24 Abs 5 Ärzte-ZV. zytologisches Labor. keine räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz

 

Orientierungssatz

Eine räumliche Nähe im Sinne des § 24 Abs 5 Ärzte-ZV liegt nicht mehr vor, wenn die Entfernung zwischen dem Vertragsarztsitz und den ausgelagerten Praxisräumen 9 km beträgt und für das Zurücklegen dieser Strecke mit dem privaten Kraftfahrzeug 15 bis 20 Minuten benötigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die ausgelagerten Praxisräume ausschließlich der Durchführung zytologischer Untersuchungen dienen sollen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.04.2022; Aktenzeichen B 6 KA 12/21 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.05.2018 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechtigung zur Erbringung zytologischer Leistungen in ausgelagerten Praxisräumen.

Die Klägerin ist eine Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) bestehend aus der Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) E GbR, H-Str, D, und der MVZ R GmbH, B-Straße, P, deren Geschäftsführer der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. A ist. An den Standorten in D und P werden im "Institut für Zytologie" Laborleistungen erbracht. Als interdisziplinäres Einsendelabor wird an weiteren Standorten ein vollständiges labordiagnostisches Spektrum angeboten.

Unter dem 24. Februar 2017 "beantragte" die Klägerin bei der Beklagten eine "ausgelagerte Betriebsstätte, alternativ Zweigstelle". Sie sei seit vielen Jahren als zytologisches Einsendelabor tätig und bearbeite entsprechende Untersuchungen auch über Nordrhein-Westfalen hinaus. Die räumlichen Kapazitäten am Hauptstandort P seien ausgeschöpft; aufgrund der kleinstädtischen Größenordnung stehe die weitere benötigte Fläche dort nicht zur Verfügung. Das Umfeld biete größere Gewerbegebiete. Hierbei legte die Klägerin den Entwurf eines Mietvertrages mit der J Immobilienverwaltungs-GmbH & Co. KG vor, nach dessen § 1 (1) in der Liegenschaft "S-Straße, K" Mietflächen mit einer Größe von ca. 1.000 m2 zum Betrieb als Büro- und Laborflächen vermietet würden. Es handele sich bei der beantragten ausgelagerten Praxisstätte um eine rein zytologisch tätige Praxisstätte. Dort solle und werde zu keinem Zeitpunkt ein Patientenkontakt erfolgen.

Mit weiterem Schreiben vom 16. Juni 2017 zog die Klägerin den Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis zurück und teilte mit, eine ausgelagerte Praxisstätte am angezeigten Standort betreiben zu wollen. Sämtliche Leistungen am Patienten würden in den derzeitigen Praxen durchgeführt, die Sprechstundenzeiten seien gesichert und würden eingehalten. In der geplanten ausgelagerten Praxisstätte würden - durch fünf im Einzelnen benannte Ärzte - zytologische Leistungen nach den folgenden Gebührenordnungspositionen (GOP) erbracht:

"01733 Zytologische Untersuchung gemäß Abschnitt B. II. §§ 7 und 8 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie

01826 Zytologische Untersuchung im Rahmen der Empfängnisregelung

19331 Zytologische Untersuchung zur Diagnostik der hormonellen Funktion

19320 Histologische oder zytologische Untersuchung eines Materials unter Anwendung eines immunchemischen Sonderverfahrens

19311 Zytologische Untersuchung eines Materials

19310 Histologische oder zytologische Untersuchung eines Materials"

Die Beklagte vertrat hierauf mit Schreiben vom 11. Juli 2017 die Auffassung, dass aufgrund der Entfernung zwischen dem Sitz des MVZ in P und dem ausgelagerten Praxisteil in K nicht mehr von einer "räumlichen Nähe" iS.v. § 24 Abs. 5 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ausgegangen werden könne. Vertragsärztliche Leistungen könnten unter der angegebenen Adresse daher nicht im Rahmen eines ausgelagerten Praxisteils erbracht und abgerechnet werden. Auf Nachfrage durch den Klägerbevollmächtigten (E-Mail vom 19. Juli 2017) teilte die Beklagte mit, dass das Schreiben vom 11. Juli 2017 keinen Bescheid darstelle, sondern es sich "lediglich um eine Mitteilung unserer Rechtsauffassung" handele (E-Mail vom 20. Juli 2017).

Am 11. September 2017 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass für Leistungen der Zytologie kein Patientenkontakt notwendig sei. Die Entfernung zur ausgelagerten Praxisstätte spiele daher keine Rolle. Es liege kein Fall vor, in dem der Patient geschützt werden müsse. Allein die Proben würden in die ausgelagerte Praxisstätte transportiert und dort untersucht. Gynäkologen, die selbst nicht zytologisch tätig seien, könnten genommene Proben auch über mehrere hundert Kilometer an Labore in ganz Deutschland versenden. Gemäß § 1a Nr. 20 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) sei eine ausgelagerte Praxisstätte auch ein Operationszentrum. Dieses könne bis zu 30 km von der Praxis entfernt liegen, obwohl dort sogar ein Patientenkontakt stattfinde. Bei einer ausgelagerten Zytologie-Praxisstätte ohne Patientenkontakt sei der...

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