Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Ruhen. Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Altersrente. Verwaltungsakt. Ermessensausübung bei atypischen Fällen. niedrigerer Rentenzahlbetrag. Antragsrücknahme
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen des § 142 Abs 1 Nr 4 SGB 3 liegen nicht vor, wenn der Arbeitslose den Rentenantrag nach Bewilligung der Rente, aber vor Eintritt der Bestandskraft des Rentenbescheides wirksam zurückgenommen und der Rentenversicherungsträger die Rentenbewilligung aufgehoben hat. Aus § 46 Abs 2 SGB 1 ergibt sich keine andere Beurteilung.
2. Bei der Aufforderung der Bundesanstalt für Arbeit an einen Empfänger von Arbeitslosenhilfe, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Ist der zu erwartende Rentenzahlbetrag niedriger als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe, liegt ein atypischer Fall vor, bei dem die Bundesanstalt für Arbeit vor der Aufforderung zur Stellung eines Altersrentenantrags Ermessen auszuüben hat (vgl BSG vom 27.7.2000 - B 7 AL 42/99 R = BSGE 87, 31 = SozR 3-4100 § 134 Nr 22 und vom 20.9.2001 - B 11 AL 87/00 R = SuP 2002, 450).
Tatbestand
Die 1938 geborene, nicht verheiratete Klägerin beansprucht die Weiterbewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) über Dezember 1998 hinaus.
Sie bezog zuletzt auf ihren Fortzahlungsantrag vom 30.05.1998 Alhi ab 01.08.1998 in Höhe von wöchentlich 269,50 DM = monatlich 1.168 DM (Bescheid vom 15.06.1998; Leistungsgruppe A/O, Bemessungsentgelt 830 DM). Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 17.11.1998 gemäß § 202 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung (SGB III) auf, innerhalb eines Monats den Antrag auf Zahlung von Altersrente zu stellen. Sie wies darauf hin, dass mit dem Tag des Ablaufs dieser Frist der Anspruch auf Alhi ruhe und sie die Zahlung nach Ablauf der Monatsfrist einstellen werde. Zugleich meldete sie bei der im Berufungsverfahren beigeladenen Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (LVA) einen Erstattungsanspruch an.
Die Klägerin kam der Aufforderung unter Protest nach und beantragte am 10.12.1998 bei der LVA Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Sie erhob am 14.01.1999 Widerspruch gegen die Aufforderung, die Altersrente zu beantragen. Obwohl sie gerne bis zum 65. Lebensjahr arbeiten möchte und auch hoffe, noch Arbeit zu finden, werde sie in die Rente gezwungen.
Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Bescheid vom 29.01.1999 als unzulässig. Bei der Aufforderung, den Rentenantrag zu stellen, handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt.
Die Klägerin hat am 17.02.1999 Klage erhoben und verlangt, die Beklagte möge die Aufforderung zur Rentenantragstellung zurück nehmen. Sie glaube immer noch daran, wieder in das Erwerbsleben eintreten zu können und möchte diese Situation bis zum 65. Lebensjahr beibehalten.
Mit Bescheid vom 15.06.1999 hat die Beklagte der Klägerin Alhi ab 01.08.1999 für ein weiteres Jahr bewilligt (wöchentlicher Leistungssatz 267,26 DM; im Übrigen unverändert).
Die Beigeladene hat der Klägerin mit Bescheid vom 25.06.1999 Altersrente ab 01.01.1999 bewilligt, nach Abzug der Beiträge für die Kranken- und die Pflegeversicherung zunächst in Höhe von 773,80 DM monatlich. Mit der laufenden Zahlung hat sie am 01.08.1999 begonnen. Aus der Nachzahlung hat die Beklagte von der Beigeladenen einen Erstattungsbetrag von 4.581,48 DM erhalten. Die Bewilligung der Rente hat die Klägerin in dem unter dem Az. S 2 RJ 46/99 beim Sozialgericht Köln geführten Klageverfahren angefochten.
Die Beklagte hat mit Bescheiden vom 07.07.1999, 16.07.1999 und vom 20.09.1999 gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch/Verwaltungsverfahren (SGB X), §§ 198 Satz 2 Nr 6, 202 Abs 2, 142 Abs 1 Nr 4, 330 Abs 3 SGB III die Bewilligung der Alhi mit Wirkung ab 01.01.1999 aufgehoben und den dagegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 28.09.1999 zurückgewiesen. Der Anspruch auf Alhi ruhe gemäß § 142 Abs 1 Nr 4 SGB III mit der Zuerkennung der Altersrente.
Nachdem das Sozialgericht darauf hingewiesen hatte, dass die vorbezeichneten Bescheide Gegenstand des Klageverfahrens geworden seien, hat die Klägerin die Aufhebung dieser Bescheide verlangt.
Das Sozialgericht hat die Klage entsprechend dem Antrag der Beklagten durch Urteil vom 11.11.1999 abgewiesen und die Aufhebungsbescheide der Beklagten bestätigt. Die ursprünglich erhobene Klage habe sich durch den tatsächlichen Geschehensablauf erledigt. Jetzt gehe es nur noch um die Aufhebungsbescheide, die gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Rechtsstreits geworden seien. Da die Alhi nach Bewilligung der Altersrente gemäß § 142 Abs 1 Nr 4 SGB III ohne weiteres ruhe, sei die Aufhebung der Bewilligung nicht zu beanstanden. Diese Entscheidung könne nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X -- verschuldensunabhängig -- auch mit Rückwirkung getroffen werden. Der Klägerin sei zuzugeben, dass sie mit der gegenüber der Alhi um etwa 400 DM monatlich niedrigeren Rente schlechter dastehe. Das Gesetz sehe aber vor, dass die Beklagte die Klägerin zur Rente...