Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Kfz-Reparatur. Kenntnisgrundsatz. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 9/17 R

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kenntnis iS von § 18 Abs 1 SGB XII muss sich stets auf den konkreten Einzelfall iS eines spezifischen Bedarfsfalls beziehen und wird nicht allein dadurch vermittelt, dass die Entstehung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs in bestimmten Situationen üblich ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.08.2018; Aktenzeichen B 8 SO 9/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.12.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme von PKW-Reparaturkosten im Wege der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der am 00.00.1981 geborene Kläger ist erheblich körperlich behindert und leidet unter einer geistigen Retardierung. Er ist auf die Benutzung eines Rollstuhls mit Kopfstützen angewiesen. Von der Pflegekasse wurde ihm die Pflegestufe III zuerkannt.

Der Kläger steht bei dem örtlichen Sozialhilfeträger im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Von dem Beklagten werden dem Kläger Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Form von Assistenzleistungen seit 2015 im Rahmen eines (vorläufigen) persönlichen Budgets nach Durchführung eines Eilverfahrens bei dem Sozialgericht Köln erbracht; die Versorgung erfolgt durch die Mutter und Assistenten. Der entsprechende Antrag ging bei dem Beklagten erstmals am 22.10.2014 ein. Der Kläger besucht ferner seit 2001 eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), deren Kosten ebenfalls von dem Beklagten getragen werden. Mit Bescheid vom 23.01.2014 wurde dem Kläger durch den Rhein-Sieg-Kreis ferner eine Mobilitätsbeihilfe in Höhe von 1.070,00 EUR im Monat bewilligt, davon entfielen 570,00 EUR auf Betreuungskosten und weitere 500,00 EUR auf Fahrtkosten.

Im Dezember 2005 und Januar 2006 wurden von dem Beklagten die Übernahme von Kosten des Umbaus eines von der Familie des Klägers gekauften PKW Ford Tourneo Connect bewilligt (Bescheide vom 21.12.2005 und 18.01.2006). In den Jahren 2008, 2009 sowie 2011 wurden jeweils kleinere Reparaturkosten vom Beklagten übernommen, wobei es sich um Reparaturen an dem bewilligten PKW-Umbau, nicht um solche an dem von der Familie angeschafften Fahrzeug selbst handelte (Bescheide vom 28.08.2008, 13.07.2009 und 03.06.2011).

Am 10.04.2014 beantragte die Mutter des Klägers bei dem Rhein-Sieg-Kreis, dort eingegangen am 11.04.2014, die Übernahme von Reparaturkosten für den PKW Ford Tourneo Connect in Höhe von insgesamt 4.181,61 EUR. Es hätten sich, so die Begründung, Reparaturkosten in den letzten beiden Jahren von fast 4.200 EUR ergeben. Während der letzten Reparatur an dem Fahrzeug hätten sich während der Arbeiten einige neue, kostenintensive und erforderliche Reparaturen ergeben. Daher habe auch kein Kostenvoranschlag von mehreren Autowerkstätten eingereicht werden können. Dem Antrag waren mehrere Rechnungen der betreffenden Kfz-Werkstatt beigefügt. Eine Rechnung vom 10.04.2014 lautete über 2.445,61 EUR. Eine weitere Rechnung vom 22.11.2013 wies Kosten von 346,59 EUR aus, eine Rechnung vom 29.05.2013 497,66 EUR und eine Rechnung vom 13.12.2012 wiederum 891,75 EUR. Mit Schreiben vom 14.04.2014, bei dem Beklagten eingegangen am 16.04.2014, leitete der Rhein-Sieg-Kreis diesen Antrag zuständigkeitshalber an den beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger weiter. Die Reparaturkosten sind von der Mutter des Klägers zuvor beglichen worden.

Mit Bescheid vom 23.04.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab und legte hierzu im Wesentlichen dar, dass die vorgelegten Rechnungen bereits vor Antragstellung beglichen worden seien. Damit sei der Bedarf bereits gedeckt. Ferner könne die Notwendigkeit eines PKW nicht anerkannt werden.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 09.05.2014 machte der Kläger insbesondere geltend, dass es sich bei seinem Rollstuhl um eine Sonderanfertigung mit Kopfstützen handele, da er sonst seinen Kopf nicht halten könne. Er könne nur im Rollstuhl sitzend transportiert werden. Sie wohnten in einer kleinen Siedlung, 2 km von S. entfernt. Es bestehe keine Busverbindung. Einmal pro Woche nehme er Taxifahrten nach T. zum Kulturcafé oder zum Kino nach L. in Anspruch, dabei würde die Beihilfe des Rhein-Sieg-Kreises aufgebraucht. Die Fahrt zum nächsten rollstuhlgerechten Kino in L. koste 190,00 EUR, die Fahrt zum Kulturcafé 95,00 EUR. Das Dorf, in dem sie lebten, habe nur 10 Häuser. Für jede Erledigung sei das Auto notwendig.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 als unbegründet zurück. Sozialhilfe könne, so im Wesentlichen zur Begründung, nicht rückwirkend gewährt werden, sondern erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers. Der Beklagte habe Kenntnis vom B...

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