Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Befreiung von der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung für den erstmals selbständig tätigen Künstler bzw. Publizisten
Orientierungssatz
1. Wer erstmals eine Tätigkeit als selbständiger Künstler oder Publizist aufnimmt und nicht zu dem in § 5 Abs. 1 KSVG genannten Personenkreis gehört, wird nach § 6 Abs. 1 S. 1 KSVG auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht befreit, wenn er der Künstlersozialkasse eine Versicherung für den Krankheitsfall bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nachweist. Hierzu zählt u. a. ein selbständiger Journalist und Redakteur.
2. Die ausgesprochene Befreiung ist unwiderruflich. Bei einer Versicherung nach anderen gesetzlichen Vorschriften ist es für den Fall einer erneuten Mitgliedschaft unerlässlich, den Antrag auf Beendigung der Befreiung zu stellen.
3. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 1 KSVG ist nur dem Berufsanfänger die Wahlmöglichkeit eröffnet. Die Regelung ist verfassungsgemäß.
4. Der nach § KSVG von der Versicherungspflicht Befreite und freiwillig Versicherte kann keinen Beitragszuschuss nach § 10 KSVG beanspruchen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 7.9.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Versicherung des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab dem 01.04.2014, hilfsweise die Gewährung eines Zuschusses zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der 1961 geborene Kläger war von 1985 bis Oktober 2007 als Redakteur u.a. bei der N Zeitung abhängig beschäftigt und zuletzt bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) kranken- und pflegeversichert. Ab dem 01.11.2007 versicherte er sich bei der Union Krankenversicherung (UKV) privat.
Am 05.03.2008 bat der Kläger die Beklagte um Prüfung seiner Versicherungspflicht nach dem KSVG. Er gab an, seit dem 02.01.2008 als Journalist, Redakteur und Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung (www.h-q.de) selbständig tätig zu sein. Von der Agentur für Arbeit erhalte er einen Existenzgründungszuschuss. Als Berufsanfänger beantrage er die Befreiung von der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 10.02.2009 stellte die Beklagte ab dem 05.03.2008 die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung nach § 1 KSVG sowie die Befreiung von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fest. Hinsichtlich der Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung habe er Anspruch auf einen Beitragszuschuss. Der Kläger gelte für die Zeit vom 01.02.2008 bis voraussichtlich 01.01.2011 als Berufsanfänger nach § 3 Abs. 2 KSVG. Der Bescheid enthält auf Seite 2 und 3 folgenden Hinweis:
"Mit der Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 KSVG haben Sie sich dafür entschieden, p r i v a t kranken- und pflegeversichert zu sein. Eine Rückkehr in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ist vor dem 1.1.2011 ausgeschlossen. Für die Zeit danach gibt es folgende Rückkehrmöglichkeit: Bis zum Ablauf der Berufsanfängerzeit, in Ihrem Fall bis spätestens 1.1.2011, müssen Sie gegenüber der KSK eine schriftliche Erklärung abgeben, dass die Befreiung enden und Ihre Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beginnen soll. Wird die Erklärung nicht bis zum Ende der o.g. Frist abgegeben, bleibt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit die Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung unwiderruflich bestehen. Die genannte Frist verlängert sich gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 KSVG um Zeiten, in denen die Versicherungs- oder Beitragspflicht unterbrochen war oder Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KSVG bestanden hat."
Vom 16.12.2009 bis 21.2.2010 bezog der Kläger ALG I, ohne die Beklagte hiervon zu unterrichten. Nachdem die Beklagte von der Agentur für Arbeit im Jahr 2014 hierüber in Kenntnis gesetzt worden war, hob sie die Bewilligung des Zuschusses für die private Kranken- und Pflegeversicherung für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 25.09.2014 auf.
Mit Schreiben vom 01.12.2010 wies die Beklagte den Kläger auf den Ablauf seines Berufsanfängerprivilegs zum 01.01.2011 und die damit endende Möglichkeit, einen Antrag auf Beendigung der Befreiung von der Versicherungspflicht zu stellen, hin. Ein solcher Antrag müsse ausdrücklich gestellt werden. Andernfalls sei die Befreiung unwiderruflich und es bestehe keine Möglichkeit mehr, eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu begründen.
Am 29.01.2014 erklärte der Kläger, seine derzeitige Auftragslage habe ihn dazu gezwungen, sich am 11.12.2013 arbeitslos zu melden und wieder ALG I zu beziehen. Seine Mitgliedschaft in der KSV möge ruhen. Er melde sich, wenn er entschieden habe, ob er mit der Selbständigkeit weitermache oder wieder abhängig beschäftigt sein werde. ...