Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Spätaussiedler. Zusammentreffen von eigener Rente mit Hinterbliebenenrente. Begrenzung der Entgeltpunkte. rückwirkende Rechtsänderung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Neufassung des § 22b Abs 1 S 1 FRG durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 2004, 1791) in Bezug auf die Rückwirkung und die Begrenzungsregelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Anschluss an BSG vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, BSG vom 21.6.2005 - B 8 KN 9/04 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 5 und BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R).
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin auf Grund ihres gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Teil (SGB X) gestellten Antrages Zahlungen aus dem ihr dem Grunde nach zuerkannten Anspruch auf Hinterbliebenenrente verlangen kann.
Die 1938 geborene Klägerin ist Witwe des 1937 in Russland geborenen und dort am 00.03.1991 verstorbenen B K (Versicherter). Beide waren ausschließlich in ihrer früheren Heimat beschäftigt. Die Klägerin übersiedelte am 17.10.1996 nach Deutschland und wurde hier gemäß § 4 Bundesvertriebenengesetz als Spätaussiedlerin anerkannt.
Sie erhält aufgrund des Bescheides vom 07.11.1997 von der Beklagten ab 17.10.1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) aus eigener Versicherung. Für diese Rente ermittelte die Beklagte 33,7910 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) und begrenzte sie gemäß § 22 b FRG auf 25 Entgeltpunkte.
Mit bindendem Bescheid vom 27.07.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine ebenfalls am 17.10.1996 beginnende große Witwenrente nach dem Versicherten. Sie bildete 26,9005 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG, die sie ebenfalls auf 25 Entgeltpunkte begrenzte. Da allerdings bereits bei der EU-Rente 25 Entgeltpunkte angerechnet worden waren, berücksichtigte sie gemäß § 22 b FRG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung (a.F.) für die Hinterbliebenenrente keine Entgeltpunkte nach dem FRG mehr: Vorrangig sei insoweit die EU- Rente aus der eigenen Versicherung der Klägerin.
Am 08.08.2002 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - in BSGE 88, 288 ff, den Bescheid vom 27.07.1998 gemäß § 44 SGB X zu überprüfen.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2002 ab: Sie folge dem Urteil des BSG nicht. Dessen Begründung treffe nicht zu. Der Begriff "Berechtigter" werde im Fremdrentenrecht in zahlreichen Vorschriften verwandt und umfasse auch die Hinterbliebenen.
Den nicht begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2003 zurück.
Die Klägerin hat hiergegen Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2003 zu verurteilen, ihre Hinterbliebenenrente in Abänderung des Bescheides vom 27.07.1998 ab dem 01.01.1998 neu zu berechnen und der Rentenberechnung die von ihrem verstorbenen Ehemann nach dem Fremdrentengesetz erworbenen Entgeltpunkte bis zu einem Höchstwert von 25 Entgeltpunkten zu Grunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Beklagte am 13.11.2003 antragsgemäß verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien erfüllt. Der Bescheid vom 27.07.1998 sei unrichtig. Die Beklagte hätte der Hinterbliebenenrente gemäß § 22 b FRG (a.F.) die von dem Versicherten nach dem FRG erworbenen Entgeltpunkte bis zum Höchstwert (25 Punkte) zu Grunde legen müssen. Zwar werde die Klägerin vom Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG-) erfasst. Mit dem ab 07.05.1996 (§ 12 Abs. 2 WFG) eingeführten § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG dürften aber nicht allein bei der EU-Rente der Klägerin die Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten auf 25 begrenzt und bei der Hinterbliebenenrente überhaupt keine Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten berücksichtigt werden. Es könne offen bleiben, ob bereits der Wortlaut des § 22 b FRG der Auffassung der Beklagten eindeutig entgegen stehe, wie das BSG in seinem Urteil vom 30.08.2001 meine. Jedenfalls könne es nicht Sinn und Zweck dieser Vorschrift sein, den überlebenden "FRG-berechtigten Ehegatten" noch zusätzlich dadurch schlechter zu stellen, dass die vom verstorbenen Ehegatten nach dem FRG erworbenen Zeiten "unter den Tisch fielen". Auch der in § 22 b Abs. 3 FRG enthaltene Rechtsgedanke gebe nichts Anderes her.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.12.2003 zugestellte Urteil am 22.12.2003 Berufung eingelegt. Sie verweist auf die Neufassung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversi...