Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Bezugsdauer von Verletztengeld auf die Bewilligung von Krankengeld - Bezugsdauer
Orientierungssatz
1. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB 5 ist die Bezugsdauer des Verletztengeldes des Unfallversicherungsträgers auf die Krankengeldbezugsdauer der Krankenkasse anzurechnen.
2. Durch die Regelung des § 11 Abs. 5 SGB 5 wird die Systemsubsidiarität der Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung von der gesetzlichen Krankenversicherung abgegrenzt.
3. Mit § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB 5 wird eine Überversicherung durch Doppelleistungen vermieden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.06.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Krankengeld im Anschluss an einen Verletztengeldbezug.
Der Kläger war infolge eines von der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) anerkannten Arbeitsunfalls vom 17.07.2017 arbeitsunfähig (au) krank. Im Anschluss an die sechswöchige Entgeltfortzahlung seines Arbeitgebers erhielt er von der Beklagten im Auftrag der BG Verletztengeld bis zum 06.03.2019. Seit dem 07.03.2019 bezog der Kläger Arbeitslosengeld.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 05.02.2020 ab, ab dem 07.03.2019 Krankengeld zu zahlen. Der Kläger habe am 06.03.2019 die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen erreicht. Mit dem gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch führte der Kläger aus, er habe bis 06.03.2019 kein Krankengeld, sondern Verletztengeld bezogen. Arbeitsfähigkeit sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Daher sei Krankengeld ab 07.03.2019 zu bewilligen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf die Leistungsdauer des Krankengeldes seien die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (AU) mit Anspruch auf Krankengeld, für die dieselbe Krankheit ursächlich gewesen sei, anzurechnen. Aufgrund der AU ab dem 17.07.2017 habe der Kläger zunächst Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber für sechs Wochen erhalten. Diese Zeit werde bei der Ermittlung der Krankengeldhöchstbezugsdauer als "Krankengeldbezugszeit" berücksichtigt. Auf Leistungen der Krankenversicherung bestehe zudem kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen seien (§ 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -). Dies treffe auf die Leistungserbringung bis zum 06.03.2019 zu. In der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V habe das Krankengeld unter anderem geruht, solange Versicherte Verletztengeld bezogen hätten. Aus dem Gesetzestext habe sich bis zum 31.12.2004 eindeutig ableiten lassen, dass die Zeit des Verletztengeldbezuges auf die Dauer des Krankengeldanspruchs anzurechnen gewesen sei. Zwar sei in § 49 Abs. 1 Nr. 3a rückwirkend zum 01.01.2005 das Wort "Verletztengeld" gestrichen worden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit seinem Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 33/03, jedoch klargestellt, dass die Zeit des Verletztengeldbezuges auf die Dauer des Krankengeldbezuges auch weiterhin anzurechnen sei. Da der Leistungsbezug von maximal 78 Wochen durch die Verletztengeldzahlung an den Kläger bereits vollständig ausgeschöpft worden sei, bestehe für die AU über den 06.03.2019 hinaus kein Anspruch auf Krankengeld.
Der Kläger hat am 15.06.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Durch eine Rechtsänderung sei rückwirkend zum 01.01.2005 in § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V das Wort "Verletztengeld" gestrichen worden. Diese eindeutige Regelung habe bis zum 11.05.2019 bestanden. Bei der Fristenberechnung für die Dauer der Krankengeldzahlung im März 2019 sei daher die Zahlung von Verletztengeld nicht zu berücksichtigen.
Das SG hat mit Urteil vom 28.06.2021 die Klage abgewiesen:
Nach § 48 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V in der bis zum 31.12.2004 gelten-den Fassung sei die Dauer des Bezugs von Verletztengeld auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen gewesen, wenn der Versicherte innerhalb der durch Arbeitsunfallfolgen ausgelösten Blockfrist (auch aus unfallfremden Gründen) arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V habe der Anspruch auf Krankengeld unter anderem geruht, solange Versicherte Verletztengeld bezogen hätten. Durch Art. 4 Nr. Buchst. 3 c des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.03.2005 (BGBl. I 2005, S. 818) sei mit Wirkung ab 01.01.2005 § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V dahingehend neu gefasst worden, dass der Zusatz "Verletztengeld" nicht mehr erwähnt worden sei. Die Begründung des Änderungsgesetzes (BT-Drucks. 15/4228, S. 26) habe gelautet: "Redaktionelle Änderungen. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nach § 11 Abs. 4 SGB V nicht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Die Nennung des Wortes ‚Verletztengeld‘ hatte in der Vergangenheit zu diesbez...