Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Bezugsdauer von Verletztengeld. keine Anrechnung auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes
Leitsatz (amtlich)
Im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 10. Mai 2019 war die Bezugsdauer des Verletztengeldes nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen.
Normenkette
SGB V § 11 Abs. 4-5, § 48 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 Sätze 1-2, 1 Fassung: 1988-12-20, § 49 Abs. 1 Nr. 3a Fassung: 1988-12-20
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. April 2017 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 29. Februar 2016 hinaus bis zum 13. November 2016 Krankengeld in Höhe von 36,44 € brutto (32,05 € netto) täglich, abzüglich bereits in dem Zeitraum vom 1. März bis 13. November 2016 erbrachter Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, zu gewähren und dies gegebenenfalls entsprechend anzupassen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld über den 29. Februar 2016 hinaus streitig.
Der 1973 geborene Kläger war seit dem 10. Juni 2013 als Kraftfahrer berufstätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung am 13. Dezember 2013. Wegen eines Arbeitsunfalls war er seit dem 18. November 2013 zunächst bis zum 6. Januar 2014 aufgrund der Diagnosen ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - German Modification, im Folgenden: ICD-10) S13.4 (Halswirbelsäulendistorsion), ICD-10 S33.50 (Verstauchung und Zerrung der Lendenwirbelsäule) und ICD-10 S80.0 (Prellung des Knies) arbeitsunfähig erkrankt. Nach Beendigung der Lohnfortzahlung erhielt er ab dem 14. Dezember 2013 Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft H. und W. (BGHW). Ab dem 7. Januar 2014 bescheinigten die behandelnden Ärzte Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnose ICD-10 F43.1 (Posttraumatische Belastungsstörung) und weiterer Diagnosen. Der Kläger erhielt Verletztengeld bis zum 17. Mai 2015. Damit war die Höchstanspruchsdauer laut BGHW erreicht.
Laut Auszahlschein vom 24. April 2015, ausgestellt von der H. Klinikum GmbH Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie (im Folgenden: Klinik) vom 12. Mai 2015 besteht seit dem 17. Mai 2015 weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 27. Mai 2015 aufgrund der Diagnose ICD-10 F43.1. Zugleich bescheinigte die Klinik als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit den 17. Mai 2015 aufgrund des Auslaufens des Verletztengeldes. Am 12. Mai 2015 stellte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. ebenfalls Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Mai 2015 aufgrund der Diagnosen ICD-10 F43.1, E11.90 (Schwer einstellbarer Diabetes mellitus Typ 2) fest. Ab dem 2. Juli 2015 bescheinigte Dr. K. weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 18. Mai 2015 Krankengeld.
Am 18. Juni 2015 lud die Beklagte den Kläger aufgrund der Arbeitsunfähigkeit seit dem 18. Mai 2015 zu einem Beratungsgespräch ein, das er nicht wahrnahm. Telefonisch war er nicht zu erreichen. Am 26. November 2015 veranlasste sie eine Begutachtung durch den M. D. der K. T. e.V. (MDK). Laut Gutachten vom 10. Dezember 2015 ist der Kläger auch weiterhin glaubwürdig für seine letzte arbeitsvertraglich ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer sowie eine leidensgerechte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund des derzeit als schwer einstellbar diagnostizierten Diabetes mellitus nicht belastbar. Es bestehe hierfür weiterhin auf Zeit Arbeitsunfähigkeit und weiterer Behandlungsbedarf. Der Gutachter empfahl die Durchführung einer fachdiabetologischen Vorstellung und Mitbetreuung.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2016 teilte die Beklagte ihm mit, nach § 48 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erhielten Versicherte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren Krankengeld, gerechnet vom Tag des Beginns der ersten Arbeitsunfähigkeit. Bei der Ermittlung der maximalen Dauer würden Zeiten berücksichtigt, in denen das Krankengeld ruhe, etwa bei Bezug von Arbeitsentgelt, Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld. Nach aktueller Rechtsprechung seien Zeiten des Bezuges von Verletztengeld ebenfalls auf die Höchstanspruchsdauer anzurechnen. Weiterhin werde der Leistungsanspruch durch eine hinzugetretene Erkrankung nicht verlängert. Die Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ verursache bis heute Arbeitsunfähigkeit. Er habe in der Dreijahresfrist vom 18. November 2013 bis 17. November 2016 bereits 546 Tage Entgeltfortzahlung und Verletztengeld bezogen. Der Anspruch auf Krankengeld habe am 17. Mai 2015 geendet. Er habe jedoch bereits über den 17. Mai 2015 hinaus Krankengeld erhalten. Aufgrund des fehlenden Krankengeldanspruchs werde die Krankengeldzahlung zum 29. Februar 2016 eingestellt. Eine Rückerstattu...