Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Ruhen des Krankengeldes durch Verletztengeldbezug seit 1.1.2005. Ausschluss einer Korrektur im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung
Orientierungssatz
1. Seit dem 1.1.2005 führt der Bezug von Verletztengeld nicht mehr zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld mit der Folge, dass auch die Bezugsdauer des Verletztengeldes nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen ist.
2. Es handelt sich dabei nicht um ein bloßes Redaktionsversehen; eine Korrektur dieser Rechtsfolge im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung ist auf Grund des Gewaltenteilungsgrundsatzes und der Gesetzbindung der Gerichte ausgeschlossen (entgegen SG Regensburg vom 9.6.2009 - S 2 KR 252/06).
Tenor
I. Der Bescheid vom 17.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2006 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus längstens bis zum Ende der sich ohne Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 und vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 ergebenden Anspruchshöchstdauer unter Anrechnung der für den gleichen Zeitraum gezahlten Lohnersatzleistungen zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld auf die Dauer eines Anspruchs auf Krankengeld.
Der Kläger war seit dem 03.01.2005 arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 13.02.2005 erhielt er Arbeitslosengeld fortgezahlt, vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 bezog er Verletztengeld, vom 19.03.2005 bis zum 25.05.2005 Krankengeld, vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 erneut Verletztengeld und vom 23.07.2005 bis zum 02.07.2006 wiederum Krankengeld. Mit Krankengeld-Auszahlungsschein vom 20.06.2006 bescheinigte der behandelnde Arzt dem Kläger weiterhin Arbeitsunfähigkeit über den 02.07.2006 hinaus.
Mit Bescheid vom 17.03.2006 stellte die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Krankengeld zum Ablauf des 02.07.2006 fest. Die Anspruchsdauer von 546 Tagen sei ausgeschöpft.
Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 13.04.2006 am 18.04.2006 Widerspruch. Das Ende der Anspruchsdauer von 78 Wochen sei unzutreffend berechnet, weil er Krankengeld erst seit dem 29.07.2005 wegen orthopädischer Krankheiten bezogen habe, zuvor habe er wegen verschiedener voneinander unabhängiger Krankheiten Kranken- und Verletztengeld erhalten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2006, der am 27.07.2006 abgesandt wurde, zurück. Der Ausschluss der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn Leistungen als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu erbringen sind, führe nicht dazu, Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit auf eine unfallbedingte Erkrankung bzw. eine Berufskrankheit zurückzuführen ist, einen längeren Entgeltersatzanspruch zu verschaffen und sie gegenüber Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit unfallunabhängig eingetreten ist, besser zu stellen (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R).
Hiergegen richtet sich die am 28.08.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Die Dauer des Bezugs von Verletztengeld sei nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen. Selbst wenn die Gesetzesfassung auf einem Versehen beruht haben sollte, wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, sobald er den Fehler erkennt, diesen zu korrigieren. Eine solche Korrektur sei jedoch nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus für die sich ohne Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 und vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 ergebende Anspruchsdauer zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Anliegen der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 sei lediglich gewesen, den gleichzeitigen Bezug von Krankengeld und Verletztengeld auszuschließen, nicht aber die Anrechnung der Bezugsdauer des Verletztengeldes auf den Krankengeldanspruch abzuschaffen (Verweis auf Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 09.06.2009, Az S 2 KR 252/06).
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Bescheid, in dem die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Krankengeld festgestellt hat, ist aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus. Die Anspruchsdauer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschöpft.
Soweit sich der Kläger gegen die Anrechnung des Bezugs von Krankengeld wegen anderweitiger Vorerkrankungen wendet, greifen die Einwände nicht durch. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld oh...