Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Geltendmachung von Fahrtkosten für den Schulweg. Erforderlichkeit der Kosten. Behinderungsbedingtheit der Kosten. Verweis auf den Besuch einer Schule in Wohnortnähe
Orientierungssatz
1. Fahrtkosten für den Schulweg können zu den Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung gehören. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um behinderungsbedingt erforderliche Kosten handelt, dh die Kosten bei einem Kind ohne Behinderung nicht oder nicht in dieser Höhe angefallen wären.
2. Dem Anspruch kann nicht entgegengehalten werden, dass dem behinderten Kind der Besuch einer wohnortnäheren Schule möglich gewesen wäre.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.03.2020 geändert. Der Bescheid vom 11.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 13.08.2015 bis zum 21.12.2017 weitere 0,12 EUR/Km und für die Zeit vom 22.12.2017 bis zum 12.07.2019 weitere 0,17 EUR/Km für die mit dem Privat-PKW der Eltern zurückgelegten Fahrten zwischen der Wohnung und der H Schule zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat 1/2 der Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen der Eingliederungshilfe die Erstattung von Fahrtkosten für den Besuch der Grundschule (13.08.2015 - 12.07.2019), soweit diese nicht im Rahmen der Schülerfahrtkostenverordnung NRW (SchfkVO NRW) erstattet worden sind.
Der am 00.00.2009 geborene Kläger besuchte im o.a. Zeitraum die H Gemeinschaftsgrundschule (GGS). Bei ihm besteht eine Kleinwüchsigkeit (Achondroplasie), die mit weiteren orthopädischen Störungen und Störungen des Gangbildes einhergeht. Zugleich liegen eine Sehminderung, eine Hörminderung und eine Kieferfehlstellung vor, die eine undeutliche Sprache zur Folge hat. Bei dem Kläger sind ein GdB von 60 sowie die Merkzeichen G und B anerkannt. Aufgrund der Behinderungen ist es ihm nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, weil er Busse und Straßenbahnen weder betreten oder verlassen, noch sich in diesen hinreichend sicher bewegen kann. Darüber hinaus benötigt der Kläger aufgrund seiner Behinderung Unterstützung im Schulunterricht, da er diesem aufgrund seiner Schwerhörigkeit und seiner Sehbeeinträchtigung nur bedingt folgen kann. Arbeitsaufträge kann er nur nach persönlicher Ansprache sicher wahrnehmen und umsetzen. Zum Arbeiten benötigt er eine Bezugsperson, die ihm bei der Strukturierung des Arbeitsauftrages und der Fokussierung der Aufmerksamkeit hilft
Der Kläger wohnt bei seinen Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht haben, X-Straße 27, Bonn-Beuel. Beide Eltern sind als Bundesbeamte im Bundeszentralamt für Steuern beschäftigt. Die Schule des Klägers befindet sich in Oberkassel und ist 7,9 Autokilometer vom Wohnort entfernt. Sie ist nicht die zum Wohnort räumlich nächstgelegene Schule, näher sind mindestens die N-Schule (1,5 km), die B-Schule (2,5 km), die C-Schule (2,9 km) und die KGS I (3,1 km).
Mit Bescheid vom 09.06.2015 hatte das Schulamt der Beklagten bei dem Kläger im Rahmen eines AO-SF-Verfahrens ("Ausbildungsordnung für sonderpädagogische Förderung") einen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf in den Bereichen "körperliche und motorische Entwicklung" sowie "Sprache" anerkannt. Als Förderorte wurden eine allgemeine Schule mit dem Angebot des Gemeinsamen Lernens (GL) oder eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "Körperliche und motorische Entwicklung" und "Sprache" festgelegt. Als die für den Wohnort nächstgelegene allgemeine Schule mit GL wurde die N-Schule und als Schule für eine Förderung in einer Förderschule wurde die M Schule in St. Augustin benannt. Die Eltern hatten sich allerdings für eine Beschulung in der H GGS entschieden; dieser Schule wurde der Kläger mit Bescheid des Schulamts vom 03.08.2015 nach Durchführung eines weiteren AO-SF-Verfahrens zugewiesen. Dem Kläger wurde vom Schulamt der Beklagten für die Fahrten vom Wohnort zur H GGS eine Wegstreckenentschädigung gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 SchfkVO NRW iHv 0,13 EUR/Kilometer bewilligt. Mit Bescheid vom 26.01.2017 bewilligte die Beklagte erstmals als Leistung der Eingliederungshilfe eine nichtfachliche Schulbegleitung.
Mit Bescheid vom 23.06.2015 lehnte das Schulamt der Beklagten den Antrag der Eltern vom 25.04.2015 auf Einrichtung einer Taxibeförderung ab, weil diese nicht wirtschaftlich sei. Der Kläger sei auf die Wegstreckenentschädigung iHv 0,13 EUR/km zu verweisen. Am 27.08.2015 beantragten die Eltern die Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs für die Fahrten zur Schule und zurück aus Mitteln des LVR. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt, weil entsprechende LVR-Mittel nicht mehr zur Verfügung stünden (Bescheid des Schulamts vom 17.09.2015).
Mit Schreiben vom 03.09.2015, bei der Beklagten eingegangen am 08.09.2015, beantragte der Kläger beim Soz...